Meine Hauptempfehlung für den November ist (wen sollte es wundern) „Die Nacht der Fotografie – #instaworldruhr“ am 18. November um 20 Uhr im Wissenschaftspark Gelsenkirchen.
Gezeigt werden Fotografien, die auf der Foto-Internetplattform instagram von verschiedensten Leuten gepostet wurden. So startete ich einen Aufruf, neue Fotos zum Ruhrgebiet mit dem Hashtag #instaworldruhr zu kennzeichnen und somit auf einer Seite im Heuhaufen instagram zu versammeln. Als Verbreitung der Idee nutzte ich mein professionelles Netzwerk (wobei bisher lediglich eine Minderheit der Profis instagram nutzt) und Facebook – das quasi Mutterunternehmen von instagram. Auf dieser Seite #instaworldruhr hatte dann eine Jury Zugriff, wobei jeder der Juroren für sich einmal pro Monat jeweils 30 Fotos aussuchte, die dann auf der Seite instaworldruhr (ohne Hashtag#) repostet wurden. Diese ausgewählten Fotos werden nun also sortiert und untermalt von einer Soundcollage am 18.11. gezeigt.
Und was war ich fasziniert von den inzwischen 1.857 Fotos, die eingereicht wurden.
Z.T musste ich herzhaft lachen, zum Teil staunen. Und was hab ich geflucht, die von den Juroren ausgewählten Fotos auffinden und zuordnen zu können. Oder bei der Beschriftung, die ja von den meisten Instagrammern eher stiefmütterlich oder malerisch betrieben werden. Oder auch über die z.T. bis heute erfolglosen Versuche die Instagram Künstlernamen realen Personen zuzuordnen und eine mail Adresse für die Kommunikation zu erhalten. Das trifft nicht bei allen zu. Auch die meisten Instagrammer sind professionell in ihrem Handeln oder zumindest semiprofessionell – aber halt nicht alle.
Und was hab ich zunächst geflucht und dann doch gejubelt, als ich die nun ausgewählten 344 Fotos in eine sinnvolle und ansprechende Reihenfolge gebracht habe.
Denn es geht bei instagram in der Regel ja um Einzelfotos und nicht um Serien. Und so hatte ich es nicht nur mit verschiedenen Themen und Lichtstimmungen sondern auch mit unterschiedlichen Bearbeitungen und letztlich sogar mit unterschiedlichen Formaten zu tun. Thema Formate. Instagram stellt die Bilder als Quadrate dar. Erst bei Auswahl werden daraus Quer – oder Hochformate oder es bleiben eben Quadrate. Was hat die Jury nun ausgewählt? Die Quadrate der Voransicht? Oder das „Originalfoto“. Und dann gibt es da die Fotografen, die Ihren Namen in die Fotos schreiben. Das was ich als NO GO Unart bezeichnen würde, macht auf der Plattform vielleicht Sinn. Ein Reposting, d.h. der Transfer eines Fotos eines anderen Instagram Fotografen auf meine eigene Seite ist ja eher erwünscht als kriminalisiert (unter Profifotografen würde man von Diebstahl geistigen Eigentums sprechen). Das bei dem Reposting dann vielleicht nicht mehr auf den Fotografen des Fotos hingewiesen wird, führt bei einigen Fotografen dazu, dass sie ihren Namen in das Foto montieren.
Soviel zu den Schwierigkeiten. Nun zu den Erkenntnissen.
Instagrammer gehen in aller Regel wesentlich spielerischer mit dem Medium Fotografie um, fotografieren was sie fasziniert und interessiert und was sie als festhaltenswert halten. So schaffen sie einen Bildkosmos dessen, was geschehen ist und passiert. Sie spiegeln das Interesse einer jungen und jungggebliebenen Mediengesellschaft, die das Internet als Hauptkommunikationsform jenseits der Massenkommunikation nutzt und spiegelt so die Gesellschaft und deren Entwicklung.
Wenn die Instagram Welten aber gesellschaftlich Relevanz jenseits des „I am what I share“ als zentralem Satz der DGPh Smartphone Tagung am letzten Wochenende in Mannheim haben soll, braucht es eine kuratorische Hand. Vielleicht eher nach dem Satz „Es ist, was ausgewählt wird“.
Und eh noch die Projektion stattgefunden hat, frage ich mich was geschieht mit den instagram Seiten (#)instaworldruhr (also mit der offenen und der jurierten Seite). Wie kann man den Bildkosmos instagram weiter nutzen? Ist eine demokratische Breite besser oder schlechter als der professionelle Blick hochspezialisierter Autorenfotografen. Oder auch was kann man wie wofür gebrauchen.
Zweiter Tipp: Unbedingt mit neuen oder alten Bildserien bei Pixelprojekt_Ruhrgebiet bewerben. Die Bewerbungsfrist ist bis zum 31.12. 2016 verlängert und endet zukünftig immer am 31.12. des jeweiligen Jahres.
Schon immer war es so, das die Jury erst im darauffolgenden Jahr zumeist sogar erst im Februar zusammenkam. Aus fördertechnischen Gründen war an eine frühere Jurierung gedacht, konnte jedoch aus verschiedenen Gründen dann doch nicht zum Ende des Jahres erfolgen. Die ewige Crux bei jährlicher Projektförderung.
Dritter Tipp ist natürlich die Ausstellung von Fatih Kurceren „Die 40 Tage des Musa Dagh“ und „Exodus / Nagorno Karabakh“, die aktuell und noch bis zum 14. Januar im Wissenschaftspark Gelsenkirchen gezeigt wird.
Am besten verbindet man den Besuch mit der Nacht der Fotografie, die somit dann auch etwas länger werden kann.
Das womit ich noch gedanklich unterwegs bin, ist ein „Haus der Fotografie / der Kommunikation“ im Ruhrgebiet, was ich für absolut überfällig halte.
Spätestens nach dem Studium sind die Fotografen und Kommunikationsdesigner auf sich gestellt. Dabei könnte man gemeinsam soviel mehr erreichen und auf einen sich radikal verändernden Markt reagieren ohne in eine „Früher war alles Besser“ Depression zu verfallen. Vielleicht lade ich mal zu einem Brainstorming Treffen ein – oder bin ich etwa der einzige der ständig nach Projekten sucht, die auch den einen oder anderen Euro generieren können? Wer sich angesprochen fühlt und eigene Ideen hat, die er vielleicht mit anderen realisieren möchte, sollte unbedingt mit mir Kontakt aufnehmen. (und ich stehle keine Ideen sondern versuche deren Realisierung zu fördern)!
Als besonderen Tipp möchte ich noch die Ausstellung von „Hannah Höch – Revolutionärin der Kunst“ im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr erwähnen (noch bis zum 8.1.2017).
Hannah Höch ist zwar nicht wirklich Fotografin, war aber als Erfinderin der Fotomontage gemeinsam mit Raoul Hausmann, zu dem sie eine jahrelange Liebesbeziehung unterhielt, Pionierin dieser besonderen Kunstform.
Und außerdem freue ich mich auf die Ausstellung „Das rebellische Bild“ im Folkwang.
In einer städteübergreifenden Kooperation realisieren im Dezember 2016 das Museum Folkwang, C/O Berlin, das Sprengel Museum Hannover ein gemeinsames Ausstellungsprojekt. Ausgehend von der Berliner „Werkstatt für Photographie“ und der jungen Essener Szene entdeckt die Ausstellung ein wichtiges Kapitel der deutschen Geschichte für Fotografie neu – jenseits der Erfolgsgeschichte der Düsseldorfer Schule.
Arbeiterbezirk Kreuzberg, Ende der 1970er Jahre, äußerster Rand von West-Berlin – und doch lebendiges Zentrum eines einzigartigen transatlantischen Kulturaustausches. Mitten im Kalten Krieg startete die am Checkpoint Charlie gelegene, neu gegründete Werkstatt für Photographie eine künstlerische „Luftbrücke“ in Richtung USA, ein demokratisches Experimentierfeld jenseits traditioneller Ausbildung und politisch-institutioneller Vorgaben. Aus diesem freien Dialog zwischen anerkannten Fotografen und Amateuren, zwischen konzeptuellen Ansätzen und dokumentarischen Narrationen, zwischen technischer Vermittlung und inhaltlicher Kritik entstand eine spezielle künstlerische Haltung, die mit ihrem direkten Zugang zur Wirklichkeit für viele Fotografen über lange Zeit stilprägend wurde. Die Werkstatt für Photographie erlangte mit intensiver Vermittlungsarbeit durch Ausstellungen, Workshops, Vorträge, Bildbesprechungen, Diskussionen und spezialisierten Kursen allerhöchstes internationales Niveau.
Das Museum Folkwang entdeckt unter dem Titel Das rebellische Bild in der eigenen Folkwang-Geschichte die Widerspiegelung des allgemeinen Aufbruchs jener Jahre. Nach dem Tod des einflussreichen Fotolehrers Otto Steinert (1978) herrschte eine offene und produktive Situation der Verunsicherung. Nach und nach wurde Essen zu einem Brückenkopf für den Austausch mit Berlin und zum Kristallisationspunkt für die junge zeitgenössische Fotografie in der Bundesrepublik. Neben Michael Schmidt, der in seiner Zeit als Lehrbeauftragter an der GHS Essen provokante Akzente in der Lehre setzte, gehörte Ute Eskildsen als Foto-Kuratorin am Museum Folkwang seit 1979 zu den wichtigen Akteuren. Die junge Essener Fotografie setzte sich mit Urbanität und Jugendkultur auseinander, sie entdeckte die Farbe als künstlerische Ausdrucksweise, stellte Fragen nach neuen Formen des Dokumentarischen, nach authentischen Bildern und Haltungen und stellte der objektivierenden Distanz der Düsseldorfer Schule einen forschenden, subjektiven Blick entgegen.
(zitiert aus der Mitteilung des Folkwang Museums)
Und nun hoffe ich auf ein Wiedersehen und Kennenlernen bei der 3. Nacht der Fotografie am 18.11.2016 im Wissenschaftspark Gelsenkirchen.
Genießt den Herbst und sammelt Kräfte!
Peter Liedtke ist Fotograf sowie Initiator und Organisator von Pixelprojekt_Ruhrgebiet und bild.sprachen. Er gibt für ruhr.speak regelmäßig persönliche Tipps zur Fotowelt (an der Schnittstelle zur Urbanität) im Ruhrgebiet, aber auch anderswo.