Verfüllt, idled indefinitely, arrêt définitif: Endgültiges in Bottrop, Dearborn und Florange im Streifzug der Woche vom 7. Mai 2020
Prosper dicht
Seit heute, 7. Mai 2020, ist der Förderberg auf dem Bottroper Bergwerk Prosper verfüllt. Damit ist das Kernstück des Pütts, auf dem der deutsche Steinkohlenbergau endete, dicht.
Statt wie sonst in einzelnen Behältern wurde die Kohle kontinuierlich über ein Förderband zu Tage gefördert, zentral für das gesamte Bergwerk, bis zu 2.000 Tonnen pro Stunde. Vorstellen kann man sich den Förderberg als 3,7 Kilometer lange Rampe, die mit konstanter Neigung in 768 Meter Tiefe führte. Er ersetzte die Turmförderanlage über Schacht 8, von dem der im Streifzug 15 vorgestellte Film handelt. Hier ein Film vom Bau der Anlage:
Frisch abgeschlossen ist auch die Verfüllung der zugehörigen Schächte 9 (1958 in Betrieb gegangen, 1.013,1 m tief) und 10 (1977, 1.316,5 m) in Kirchhellen. Ende des Jahres kommen abschließend die Schächte Franz-Haniel an der Papsthalde an die Reihe. Der 2006 vom Bergwerk Lohberg übernommene Schacht Hünxe 4 (1983, 1.364 m) bleibt zur Wasserhaltung offen.
Der 7. Mai 2020 ist als Datum also ähnlich signifikant wie der 15. August 2018. An diesem Tag endete die Kohleproduktion. Offiziell geschah das allerdings erst am 21. Dezember 2018, als Reviersteiger Jürgen Jakubeit, von dem auch das Foto von heute stammt, Bundespräsident Steinmeier das letzte Stück Kohle übergab. Die Lücke zwischen solchen Daten wäre auch ein interessantes Thema für fotografische Arbeiten.
Wie gemacht für alle drei Daten und sowieso für unsere Gegenwart, in der alle viel von Solidarität reden: Rote Erde, Klaus Emmerichs Bergarbeitersaga und großer Bogen von der Kaiser- zur Nachkriegszeit an der Ruhr. Hier der erste Teil:
The Rouge zu
“Idled indefinitely” ist die sonnige Umschreibung von Werksschließungen, die nicht direkt so heißen sollen, de-facto-Stilllegung ohne formelle Stilllegung und bewährte Praxis in der Stahlindstrie. Seit gestern auf der in letzter Zeit drastisch länger werdenden Liste: Teile von AK Dearborn, also The River Rouge Complex, Fords legendärer Autofabrik in Dearborn. Das darin enthaltene Hüttenwerk wurde 1989 von Ford abgespalten, vor wenigen Jahren für 1,2 Milliarden Dollar überholt und erst im März für 1,1 Milliarden vom Erzproduzenten Cleveland-Cliffs gekauft. Die Stahlerzeugung ist bereits seit Ende des gleichen Monats “idled”, das Walzwerk jetzt “indefinitely”.
Vor allem aber nahm Charles Sheeler in The Rouge 1927 eines der berühmtesten Fotos des Maschinenzeitalters auf…
…Walker Evans 1947 seine Hommage daran…

Bild: Walker Evans Archive, The Metropolitan Museum of Art
…und Michael Kenna 1994 seine:
Sheelers Foto kann man sich bei Google Arts & Culture im Detail anschauen. Die 1995 als The Rouge erschienene erste Ausgabe von Kennas Rouge Study fällt unter Sammlerstück. Nur Rouge heißt eine 2016 bei Prestel erschienene “revised and expanded edition”, leider mit einem Cover, das den elegischen wie sublimen 6×6-Aufnahmen nur bedingt gerecht wird.
In dieser Liste nicht fehlen dürfen natürlich Diego Riveras Detroit Industry Murals. Seine während der großen Depression entstandenen Fresken zeigen eine Utopie und die präzise Verdichtung der Arbeitsabläufe in River Rouge gleichzeitig: “eine große Saga moderner Produktion” (Klaus Türk, PDF).
Und nicht “indefinite idling”, sondern ganz Klartext “arrêt définitif” hieß es ebenfalls gestern im lothringischen Florange. Dort wurde die verbliebene Kokerei stillgelegt. Was das bedeutet, ist Thema des nächsten Streifzugs.
Text: Haiko Hebig
Titelbild: Jürgen Jakubeit