Quantcast
Channel: Ruhrspeak
Viewing all articles
Browse latest Browse all 106

Mehr Virtuelles

$
0
0

Im Streifzug vom 17. April 2020: mehr zur Frage virtueller Ausstellungsbesuche, Meldungen, Aktualisierungen und eine Programmvorschau.

 
Meldungen

Das geplante Bundesinstitut für Fotografie war schon mehrfach Gegenstand von Streifzug-Meldungen – vor allem die Blitzmanöver, die in eine Finanzierungszusage des Landes NRW für den Standort Düsseldorf mündeten. Bekanntlich hat sich anschließend die Weski-Kommission wegen der Konzentration von Folkwang-Uni, Folkwang-Museum, Zollverein und Krupp-Stiftung für den Standort Essen ausgesprochen. Das von der Kommission erarbeitete Konzept liegt hier als PDF vor.

Stichwort Folkwang: Fotografie und Handlungsmacht ist das Thema des nächsten Folkwang-Symposium für Fotografie, das am 16. und 17. Oktober stattfinden soll. “Welche ideologischen Strukturen manifestieren sich bereits im Entstehen einer Fotografie? Welche Formen fotografischer Selbstermächtigung existieren” und – vielleicht gibt es bis dahin dazu ja schon etwas im Lichte von Corona zu sagen, – “Welche Rolle(n) nimmt die Fotografie innerhalb zeitgenössischer und historischer, politischer und sozialer Protestbewegungen und Ausnahmesituationen ein?” Papers können bis zum 15. Mai eingereicht werden. Hier die Ausschreibung als PDF.

Bis zum 30. April können Arbeiten für den Online-Portfoliowalk der DFA eingereicht werden. Fünf Portfolios werden anschließend auf der DFA-Website gezeigt. Vor allem aber gelten alle Einreichungen auch als Bewerbungen für den nächsten physischen Portoliowalk.

Nochmal Ruhr: Kulturelle Potenziale von Technologie, also Digitalisierung, war das Thema der 8. Kulturkonferenz Ruhr. Die Dokumentation ist jetzt als PDF verfügbar.

 
Mehr Virtuelles

Die im letzten Streifzug erwähnten virtualisierten Ausstellungen der Biennale für aktuelle Fotografie werden bis zum 24. April durch virtuelle Führungen ergänzt. In Praxis sieht das so aus:

Ziemlich meta: Im Browser ein Browser mit der virtuellen Ausstellung als Videostream, die Künstler  sind zugeschaltet

Hier zeigen sich bereits Stärken und Schwächen des Formats. Der räumlich verteilte Dialog mit Künstlern, Fotografen, Ausstellungsmachern usw. ist aus meiner Sicht ein klarer Pluspunkt. Verstärkt werden könnte die Wirkung durch Einspielen hochauflösender Versionen der besprochenen Werke in den Stream – mit Software wie OBS ist das leicht möglich – und erst recht, wenn sich per Verlinkung auf eine bereits bestehende Sammlungsdigitalisierung gestützt werden kann. In einen Dialog mit den Werken selbst lässt sich so allerdings kaum treten. Ihre ästhetische Wirkung erschließt sich meist ebenso wenig wie die des umgebenden Raumes.

Je nach Art des Motivs sind aber Formen der digitalen Inszenierung denkbar, die intensivere Erfahrung und höheren Erkenntnisgewinn als die bloße digitale Abbildung ermöglichen. Insbesondere das Erlebnis, in präzise aufgenommenen großformatigen Tafelbildern durch näher Herantreten immer neue Teilbilder und in diesen immer neue Details erschließen zu können, lässt sich mit hochauflösenden Digitalisierungen replizieren. Das, was Wolfgang Ullrich in seinem Deutschlandfunk-Interview (MP3-Datei) das “auratische Erlebnis des immer näher Ranzoomens”, funktioniert bei den Alten Meistern der Malerei digital-intim vielleicht sogar noch besser als bei tatsächlicher Besichtigung, da im sozialen Ort Museum an sie meist weder ausreichend nah noch ausreichend lange herangetreten werden kann. In der Fotografie halte ich die Wirkung für begrenzter.

Bleibt die Frage der räumlichen Erfahrung. In welche Relationen die Arbeiten untereinander, zum Raum und zum Betrachter gestellt werden, macht eine Ausstellung ja gerade aus. Wie gut sich diese Bezüge in den gängigen 360-Grad-Raumansichten erfassen lassen, kommt stark auf die Art des Raums und der gezeigten Werke an, meiner bisherigen Erfahrung nach aber: manchmal sehr gut, manchmal gar nicht, und meistens schon alleine wegen des spieleartigen Springens zwischen den Ansichten nicht besonders. Videofahrten, die Raumeindrücke verschaffen, Zusammenhänge verdeutlichen oder einzelne Werke herausstellen, könnten eine Lösung sein, so wie diese des Van-Gogh-Museums mit einer Kameraführung, die dem Blick des Besuchers ähnelt.

 
“Nicht länger nichts”

Arbeiterinnen in einer Tuchfabrik in der italienischen Stadt Terni
Bild: ARTE France/© Les Films d’Ici

Florenz: 2813 Bewerberinnen auf 12 Kindergarten-Stellen
Bild: © Michele Borzoni

Programmvorschau: Gespannt bin ich auf Le temps des ouvriers oder Die Geschichte der Arbeiterbewegung in Europa, die Arte ab dem 21. April in den vier Teilen Fabrik, Barrikade, Fließband und Auflösung zeigt. Das ist natürlich nicht erst seit dem Ende des kollektiven Bewusstseins der Arbeiterschaft ein ebenso weites wie von Nostalgie und Mythen verklärtes Feld. Im Interview (französisch) verspricht Regisseur Stan Neumann jedenfalls, der historischen Erkundung die gegenwärtige Lage gegenüberzustellen.

Ich mache das hier schon mittels Verweis auf das Buch und die Serie Workforce von Michele Borzoni, in der er die heutige Arbeitswelt Italiens in sieben Kapitel wie Call-Center, Aufnahmeprüfungen, Streikposten und Tagelöhner aufschlüsselt. Gezeigt wurde diese Arbeit 2017 auf der Foto/Industria in Bologna und letztes Jahr auf dem Noorderlicht-Festival.

 
Und sonst?

Bilder: © John Humble

Und in der Rubrik Und sonst? wieder etwas für Freunde gepflegter Großformatfotografie: John Humbles Serien Los Angeles Landscape 1979-1990 und Los Angeles Landscape 1991-2011. Das zugehörige Buch Manifest Destiny ist 2016 bei Nazraeli Press erschienen, allerdings deftig bepreist.

 
Text: Haiko Hebig


Viewing all articles
Browse latest Browse all 106