Vier Fotoserien zum Aus des Steinkohlebergbaues im Ruhrgebiet – im Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Am 21. Dezember 2018 ging mit der Schließung des Bergwerks Prosper-Haniel in Bottrop offiziell das Licht aus für den Steinkohlebergbau im Pott. Der Bergbau hat den wirtschaftlichen Aufschwung der Region bis heute entscheidend geprägt. Inzwischen sind die Industriekulturbauten zum Alleinstellungsmerkmal der Region geworden. Und der Doppelbock der Zeche Zollverein gilt heute als Symbol eines in die Zukunft gerichteten Ruhrgebiets.
Was der Ausstellungsbesucher vermisst:
Der Doppelsinn “Leben ohne Kohle” wurde nicht berücksichtigt. Menschen, die durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes ins soziale Abseits gedrängt wurden, sind nicht zu sehen. Doch deren Geschichten interessieren – zumindest mich.

Weltkulturerbe Zeche Zollverein, Essen, 2009, aus der Serie “Leben ohne Kohle” von Thomas Pflaum.
Personen sind zwar teilweise sichtbar in Thomas Pflaums Serie “Leben ohne Kohle”: jedoch als anonyme Touristen, Schlemmer im Restaurant, als Performer von Kunstevents oder schaukelnde Kinder. Pflaums 21 Motive befassen sich mit “Quo vadis, Ruhrgebiet?” Der vielfach preisgekrönte Fotograf, er begleitet seit 25 Jahren das sich verändernde Ruhrgebiet mit der Kamera, stellt aber die richtigen Fragen.
Weg von der Montanindustrie, aber wohin? Wie geht es weiter, wenn die Transformation einer ganzen Region vollzogen sein muss? Reichen Zechen als aufgehübschte Orte für Touristen für ein Leben ohne Kohle? Reicht Kulturindustrie statt Industriekultur und kann das Ruhrgebiet im Wettbewerb der Städte und Regionen mithalten?
Sarah Blümel widmet sich mit ihrer Serie “Kultur, die bleibt” dem verflossenem Charme diverser Zechensiedlungen in unterschiedlichen Städten (24 Bilder).

Zechensiedlung, aus der Fotoserie “Kultur die bleibt” von Sarah Blümel.
Vladimir Wegener (* in Sofia, lebt in Essen) zeigt die Ästhetik unterschiedlicher Bergbau-Abraumhalden, deren Brachland aus taubem Gestein durch Rekultivierung wiederbelebt werden soll (18 Motive).

Aus der Serie “Abraumhalden” von Vladimir Wegener.
Magisch Natalie Richters elfteilige Serie “Bergbau Artefakte”: Die DEW21-Kunstpreisträgerin von 2018 fotografierte u. a. Handschuhe, Kaffeepulle, Schutzhelm, die Heilige Barbara oder Grubenlampen vor schwarzem Hintergrund und bringt diese durchaus zum Leuchten.

Grubenlampen, aus der Serie “Bergbau-Artefakte” von Natalie Richter.
Die Blümel-Richter-Wegener Arbeiten entstanden im Rahmen eines Studienprojekt unter Leitung von Prof. Gisela Bullacher (Folkwang Universität der Künste, Essen) mit Unterstützung der RAG Aktiengesellschaft, dessen Ergebnisse in der Buchreihe “Unter uns” im C. H. Beck Verlag veröffentlicht wurden.
Zur Präsentation der 74 Fotos in der wohl längsten Fotogalerie im Revier:
Warum sind die Begleittexte zu den Bildern so klitzeklein? Warum werden keine Porträts der Fotografinnen und Fotografen gezeigt? Einen selbstbewussteren Auftritt hätte “Schicht im Schacht – Leben ohne Kohle” verdient.
Aber, und das bitte nicht zynisch verstehen, dafür fehlte wohl die Kohle.
Text: Hartmut Bühler
Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstraße 14
bis 6. April 2019
Mo-Fr 6-19 Uhr
Sa 7.30-17 Uhr
Freier Eintritt
Eine Ausstellung von Pixelprojekt-Ruhrgebiet.de

Bei der Ausstellungseröffnung: Wolfgang Jung, Geschäftsführer Wissenschafspark Gelsenkirchen, Vladimir Wegener Fotograf, Prof. Gisela Bullacher, Professorin für Fotografie an der Folkwang Hochschule der Künste, Satah Blümel, Fotografin, Natalie Richter, Fotografin, Tom Pflaum, Fotograf, Peter Liedtke, Kurator der Ausstellung (von links nach rechts). Foto: Bettina Steinacker