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Operationen des Weiterlebens: Laurenz Berges in Bottrop

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Im Streifzug der Woche: Die unbedingt sehenswerte und bis zum 28. Juni verlängerte Ausstellung 4100 Duisburg – Das letzte Jahrhundert von Laurenz Berges in Bottrop.

Zwischen Erscheinen obigen Texts im Katalog zur Pariser Weltausstellung 1878 und dem großen Strukturbruch am Ende des Nachkriegsbooms, der unsere heutige Wirklichkeit bestimmt, liegen recht genau einhundert Jahre. Von diesem Zeitraum handelt die unbedingt sehenswerte Ausstellung 4100 Duisburg – Das letzte Jahrhundert von Laurenz Berges im Bottroper Museum Quadrat.

 

 

In “The Road to Wigan Pier”, seinem Bericht aus einer Bergarbeiterstadt in Nordengland, lässt George Orwell seine Protagonisten ständig etwas machen, mit Intensität und Bestimmtheit produktiv sein. Fotografie des Ruhrgebiets möchte oft auch etwas machen. Gerne stellen sich ihre Autoren ohne Not in den Dienst wirkmächtiger übergeordneter Erzählinteressen von Metropol- und Kulturwerdung. Mit immer gleichen Mitteln und Bildern wird der hegemonialen Großfiktion vom erfolgreich gemeistertem Strukturwandel zugearbeitet, gelegentlich unterbrochen von plump illustrierter punktueller Empörung. Solche Bilder gibt es zu viele. Mich interessieren Fotos, die aus intensiver eigener Betrachtung entstehen: mit behutsamer Hartnäckigkeit gefundene bildliche Verdichtungen der Dinge. 4100 Duisburg von Laurenz Berges sind solche Fotos.

 

 

Zehn Jahre lang, ungefähr von 2010 bis heute, hat sich Berges mit einem relativ kleinen Bereich der Stadt Montan befasst. Entstanden sind Bilder eines langen Moments, ohne zeitlichen Verlauf, ohne Erzählung einer Entwicklung, von reiner Gegenwart und Ver-Gegenwärtigung. Noch langsamer als seine Beobachtung ist nur die Zeit selbst an diesem Ort. Die permanente Veränderung der Zustände als Signet von Produktivität und Globalisierung, hier findet sie nicht statt. Nichts ist neu: kein Straßenbelag, kein Haus, keine Klingel. Es gibt auch keine Autos, die eine zeitliche Einordnung zuließen. Viele werden diesen fremden Ort noch nie gesehen haben, andere ihn unmittelbar als unser Hier und Jetzt erkennen.

Es ist kein Zufall, dass dieses Hier und Jetzt aussieht, als wär es vor 30 oder 40 Jahren erstarrt: In den 1970ern bis 1990er verschwand der gesellschaftliche Konsens der Nachkriegszeit. Die Identität der Region blieb aber an dessen ungültig gewordenen Zukunftsentwürfe angeknüpft. Es sind Strukturen langer Dauer. In metallurgischen Prozessen entstehen Schlacken, irgendwann nicht weiter verwertbare Reste verbrauchten Materials, die aber trotzdem weiterexistieren. Diese Ausstellung zeigt die Schlackenhalden des Epochenbruchs. Das letzte Jahrhundert ist hier in seiner Permanenz zu besichtigen.

 

 

Wer wegen der allseits bekannten Ansicht des Matena-Tunnels auf Plakat und Buchcover ein nettes Potpourri aus lost places und imposanten Tafelbildern von Hüttenwerken und Denkmalkulissen erwartet, darf sich auf etwas gefasst machen. Nicht nur hängen weder das Titelbild noch andere übliche Motive in dieser Ausstellung. Auch ist nichts, was dort hängt, geeignet, eine positive Markenbotschaft zu vermitteln.

Wer flüchtig hinschaut, sieht vielleicht nur Behausung der Niedergeschlagenheit. Doch Berges vermeidet alles, was Fotos solcher Orte uninteressant oder ärgerlich macht. Es gibt keine flüchtig erhaschten Klischeebilder, kein verschämtes Wegschauen, Übertünchen, Verleugnen oder Entschuldigen, keine Häme, Abwertung oder Belustigung, und keine platte Symbolik, bedeutungsschwangere Aufladung oder triviales Inslichtzerren. Der Schrecken sitzt viel tiefer.

Unnachgiebig richtet Berges den Blick auf Materialität und Präsenz vergangener Zukunft, indem er verdichtende Details in einer Weise zeigt, die auf jahrelanges behutsames und reflektiertes Immernäherkommen an den Handlungsort schließen lässt, bis er sich in ihm mit respektvoller Distanzlosigkeit transparent bewegen und solche Verdichtungen erkennen kann.

Derart introspektiv aufgestellt, kann Berges erzählen, fast ohne auf Übersichtsbilder zurückzugreifen. Horizont ist auch auf diesen fast keiner zu sehen, und wenn, dann liegt der Rhein davor. Genauso unerreichbar fern die Kamine der wenigen Industrieanlagen mit ihren verbliebenen Arbeitsplätzen. Mit der Lebenswirklichkeit der Menschen hier haben sie nichts zu tun. Gleichzeitig lassen sich die Bilder reicher baulicher Verzierungen aus der Gründerzeit nicht lesen, ohne nach dem immer wieder neu auszuhandelnden Verhältnis von Kapital und Arbeit zu fragen.

 

 

Es wäre leicht, dieses Duisburg als romantische Zeitfalte darzustellen, in der sich von Erinnerung an ein vermeintlich besseres Früher ernährt wird. Doch in Nostalgie liegt auch die Erleichterung über dessen Überwindung, und hier ist nichts überwunden. Hier geht es um das blanke Sein. Berges gelingt es, diese existentielle Dimension ins Zentrum zu rücken, ohne seine Protagonisten weiter zu verraten.

Zu sehen sind kleine Eingriffe zum Fortsetzen des Existierens, Improvisationen und Überbrückungen. Ein nochmal geflickter Zaun, ein eingeklemmtes Handtuch, ein Kabel, mit dem aus dem Hausflur Strom in eine Wohnung abgezweigt wird. Es sind Operationen des Weiterlebens unter dem Diktat des immer kleiner werdenden Abstands zwischen Wirklichem und Möglichem.

 

 

Vom Betrachter erfordern die Bilder ähnlich genaues Hinsehen, wie es Berges vor Ort praktiziert hat. Die Wahl zumeist mittelgroßer Formate, Hängung, herausragende Printqualität und wie immer exzellente Ausstellungssituation im Museum Quadrat ermöglichen das. Wer sich diese Mühe macht, entdeckt auf einem Bild vielleicht die nur wenige Millimeter große Reflektion eines neonleuchtenden “Open”-Schilds in einer dunklen Fensterscheibe. 4100 Duisburg ist nicht tot, und darin liegt je nach Sichtweise die Zumutung: Die Erzählung von Strukturwandel als ein höchstens mit leichtem Ruckeln verbundenem, insgesamt aber beschaulichem Wechsel erstrebenswerter Kontinuitäten ist so nicht nur nicht haltbar, sondern stellt sich selbst als Operation des Weiterlebens heraus.

Positiv ausgedrückt kann die hier stattfindende doppelte Vermessung des Abstands zwischen Fotograf und Welt und Betrachter und Fotografie also zu einer Stärkung des Ambivalenzbewusstseins für die eigene Gegenwart führen.

Damit wäre auch der mögliche Vorwurf, Berges habe hauptsächlich dort fotografiert, wo Abriss bevorsteht, entkräftet. Er nutzt die Kraft der Fotografie für eine Gegenerzählung, die so wenig nur Duisburg ist, wie Robert Adams’ denver nur Denver ist. Alle Montan-Kernräume Westeuropas sehen so aus. Darin liegt das Universelle. Duisburgs Gegenstück in der Wallonie ist Seraing. Die Postleitzahl: 4100. ■

 

Besonders schöne Entdeckung: In einem der Schaukästen mit Berges’ Fundmaterial von Aufnahmeorten – Form des Ausdruck langer, naher Auseinandersetzung – ein aufgeschlagener MoMa-Katalog. Die Doppelseite zeigt ein Foto von Laurenz Berges ausgerechnet neben einem von Chauncey Hare. Dessen auf den ersten Blick ruhigen und nüchternen Innenaufnahmen amerikanischer Häuser und Wohnungen sind rot glühender Protest gegen die “am Ich vollzogenen Zurichtung” von Arbeitnehmern aller Ebenen (Günter Liehr, Kunstforum 41/1980) und könnten gar nicht besser zu 4100 Duisburg passen. Chauncey Hare blieb unbekannt, mehr zu ihm in einem künftigen Streifzug. Was von und über ihn veröffentlicht wurde, habe ich in diesem Verzeichnis zusammengestellt.

 

 

 

 

Text und Ausstellungsansichten: Haiko Hebig

Fotos: Laurenz Berges / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Ausstellung: Laurenz Berges. 4100 Duisburg. Das letzte Jahrhundert im Josef Albers Museum Quadrat, Bottrop, bis zum 28. Juni 2020.

Pressemitteilung: Pressemitteilung zur Ausstellung (PDF)

Buch: Laurenz Berges. 4100 Duisburg im Verlag der Buchhandlung Walther König, mit Texten von Heinz Liesbrock und Thomas Weski, 168 Seiten, 84 Abbildungen, Hardcover, Leinen, 48 €.

Zitat aus: Joh. Pechar, Welt-Ausstellung 1878 in Paris. Kohle und Eisen in allen Ländern der Erde. Springer 1878

 


Regards d’acier: Ein Streifzug von Waltrop nach Dünkirchen

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Ein Streifzug von Waltrop nach Dünkirchen, mit Josef Koudelka, Harry Gruyaert, Gabriele Basilico und Christopher Nolan.

Koudelka. Industries

Vor der Corona-Pause ließ sich in Waltrop eine schöne kleine Ausstellungs-Eröffnung besuchen. Josef Koudelka hatte es sich nicht nehmen lassen, für Koudelka. Industries persönlich ins Schiffshebewerk zu kommen. Lohnt sich ein Besuch der mittlerweile wiedereröffneten und bis zum 4. Oktober verlängerten Ausstellung? Hautpsächlich wegen der Enstehungsweise der Bilder und der Entwicklung ihrer Rezeption.

 

Koudelka in Waltrop

Koudelka in Waltrop

Josef Koudelka bei der Eröffnung in Waltrop

 

Zu sehen sind auf 2,80 Meter Breite abgezogene, in sehr schwere schwarze Rahmen gefasste, dicht gehängte und ab Mitte der 1980er entstandene Panoramafotos von Industrielandschaften in Europa, vorwiegend aus Nordfrankreich und der Tschechischen Republik. Nicht immer geben die teilweise verwackelten oder unscharfen Negative Reproduktion in dieser Größe her, und nicht alle Bilder können mit dem erforderlichen Abstand betrachtet werden. Die kleinen Texttafeln nennen nur Land und Jahr der Aufnahme und könnten auch entfallen.

Koudelka zeigt hauptsächlich die für Gewinnung, Transport, Umschlag und Lagerung von Rohstoffen, Halbzeugen und Reststoffen erforderliche industrielle Flächen: Tagebaue, Erzbetten, Schlackegruben. Im Panoramaformat wirken sie endlos groß. Manchmal reichlich old school: Dreieck, Dreieck, Kreis. In den besten Momenten aber großes Kino: Perspektiven wie die eines Kranfahrers aus seiner Kanzel, eines LKW-Fahrers aus seiner Kabine, oder wie der beiläufige Blick eines Mitarbeiters beim Gang zu seinem Arbeitsplatz. (Alternativ: wie ein sich heimlich übers Gelände bewegender Eindringling oder gar Soldat, die meisten Fotos sind zu Fuß entstanden.)

Was genau in den gezeigten Landschaften produziert wurde, erschließt sich ohne weitere Kenntnisse kaum. Wozu die Landschaften selbst produziert wurden, schon: Hier wird produziert, was jeder von uns konsumiert, nicht nicht konsumieren kann, wer Teil der Gesellschaft sein will. Interessant an der Ausstellung ist, dass diese nicht unbedingt neue Erkenntnis weitgehend frei von modischen Bedenklichkeitserklärungen präsentiert wird.

Es geht sogar noch weiter: Koudelka hat diese Fotos nach eigenem Bekunden nicht nur als Beobachter statt als Ankläger aufgenommen. Die meisten der gezeigten Dünkirchen-Fotos entstanden sogar als doppelte Auftragsarbeit: für das französische Landschafts-Inventarisierungsprojekt der DATAR, und für die Betreiberfirma. Es sind Prestige-Aufnahmen für Regards d’acier, dem Bildband zum 25-jährigen Jubliäum von Sollac Atlantique, ursprünglich Usinor, heute ArcelorMittal, dem großen neuen Hüttenwerk an der Atlantikküste, Stolz der französischen Industrie. Einen größeren Umschwung könnte die Bildpolitik von Unternehmen und die Wahrnehmung solcher Aufnahmen kaum hingelegt haben.

 

Koudelka in Waltrop

Koudelka in Waltrop

Blick in die Ausstellung während der Eröffnung. Weitere Ausstellungsansichten in der parallelen Besprechung von Hartmut Bühler hier auf Ruhrspeak.

 

Harry Gruyaert: Regards d’acier

Für die Abteilung Produktionsanlagen war bei Regards d’acier Harry Gruyaert zuständig:

Weitere Fotos sind auf der Magnum-Website zu sehen.

 

Christopher Nolan: Dunkirk

Nennenswerte Installation: ArcelorMittal/Dillinger Dünkirchen, 1963 von USINOR als Ersatz für die Inlandshütten im Norden und in Lothringen in Betrieb genommen, heute mit knappen 7 Millionen Tonnen Jahreskapazität das größere der beiden verbliebenen integrierten Hüttenwerke in Frankreich. Vorgelagert der ebenfalls Anfang der 1960 zum Schutz des neuen Tiefseehafens dafür gebaute sieben Kilometer lange Digue du Braek

 

… auf dem die Schauspieler in Dunkirk im Jahr 1940 sitzen. Die dahinter zu sehenden Anlagen befinden sich im linken Teil der Markierung.

 

Hinter Nolan in diesem Making-Of-Foto: Hochofen 4 mit seiner charakteristischen rechteckigen Silhouette, der leistungsstärkste Frankreichs, 1973 in Betrieb genommen und zuletzt 2016 überholt. Christopher Nolan hat seinen großartigen Film Dunkirk, in dem er drei unterschiedlich lange Zeitlinien miteinander verwebt, analog auf 70-mm-Breitfilm aufgenommen, digitale Nachbearbeitung auf ein Minimum reduziert, bei Flugzeugen und Schiffen großen Wert auf Verwendung von Originalmaterial gelegt – und die viel später entstandenen Hüttenanlagen einfach ins Bild genommen und stimmig aussehen lassen.

 

Zum Vergleich Koudelkas Version…

 

Basilico: Digue du Braek

… und die von Gabriele Basilico, die in einem Dünkirchen-Streifzug natürlich nicht fehlen darf. Für die Mission DATAR deckte Basilico die französische Atlantikküste von Dünkirchen bis Le Havre mit magischen Fotos ab. Bord de Mer erschien 2017 bei contrasto in stark erweiterter (und natürlich ausverkaufter) vierter Auflage. Klick = zoombare Version in der Städel-Sammlung.

 

Auf diesem USINOR-Werksfoto: Die ersten beiden Hochöfen in Dünkirchen. Direkt am Wasser, über Transportbänder zu 100% mit Import-Erzen beschickt, reichlich Platz drumherum: ein riesiger Sprung von den auf die Verhüttung regionaler Erzvorkommen ausgelegten Werken in Lothringen.

Zum Weiterlesen

Kataloge

Katalog Industries, erschienen 2017 bei Éditions Xavier Barral zur Ausstellung in Bologna in Form eines Ringbuchs. ISBN 978-2-36511-137-9.

Besser zur Geltung kommen die Fotos in Koudelkas früheren Panorama-Büchern Black Triangle (1994) und Reconnaissance Wales (1998). Dort sind sie fast 60 cm breit über jeweils zwei Leporello-Seiten gedruckt. Allerdings sind sie auch nur noch antiquarisch zu weit dreistelligen Kursen erhältich.

Bei Magnum

Alle Fotos des Buchs und der Ausstellung sowie eine Themenseite dazu.

Koudelkas DATAR-Fotos im Buch Datar – en Lorraine, dans le Nord et à Paris, 1987, und SOLLAC-Fotos im Buch Regards d’Acier, 1988.

Beim LWL

Pressemitteilung und Seite zur Sonderausstellung

 

 

Text und Ausstellungsansichten: Haiko Hebig

Titelbild: Dünkirchen, Hafen in den 1970ern, Jacques Malézieux
Luftbild: Haiko Hebig auf Basis von Google Maps
Hochofen: Werksfoto Usinor
Dunkirk, Still: Warner Brothers
Dunkirk, Making of: Melinda Sue Gordon

Josef Koudelka Industries im Schiffshebewerk Henrichenburg/LWL-Industriemuseum

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Das Potential der Panoramakamera

Auf den letzten Metern zur aktuellen ‘Konzernzentrale’ von Josef Koudelka Industries empfiehlt es sich, trittsicheres Schuhwerk zu tragen. Entsprechend einer Empfehlung des 82jährigen Vorstandsvorsitzenden: um ein guter Fotograf zu werden, bedürfe es „nur ein Paar solider Wanderschuhe“. Und die sind ratsam, um den steilen Treppenaufstieg im Oberhauptturm am Schiffshebewerk zu absolvieren, um sich dann dem Industriemuseum im Hafengebäude zu nähern. Darin sind 28 Fotopanoramen, Industries betitelt, zu bewundern.

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Die schmale langgestreckte Halle mit herrlicher Holzdecke: Aufbau, Hängung und Licht sind akkurat, die 280 cm breiten schwarz gerahmten Koudelkas faszinieren. Sie zwingen zum Hinschauen, Verweilen, Jubeln ob ihrer Wirkung. Trotz des Themas Raubbau an und in der Erde, dem erbarmungslosen Abbau von Ressourcen und der Zerstörung der Natur. Schon das erste Motiv Black Triangle Region von 1983, Tschechische Republik, ein Hingucker. Ein Ballett aus Stop- und weiteren Verkehrsschildern am Beginn einer ausgeschöpften Kohlenmine.

So spannungsgeladen geht es weiter. France, Region of Nord-Pas-de-Calais. The Nord ‘department’, City of Dunkerque, 1987: Eine Pyramide aus hellem Sand (?) im Hintergrund, davor ein Oval aus gebrochenen Leitplanken. Eine Symmetrie zum Niederknien. In Skalpell Schärfe im gesamten Bildformat. Am selben Ort, selbe Zeit, ein Motiv aus Eisenbahnwaggons und Metallschrott – hinreissend strukturiert und scheinbar lebendig. Das passt ebenso auf das Motiv Germany, Brandenburg 1997 – es zeigt gewaltige Risswunden in der Erde.

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Schaurig schön das ausgeplünderte kontaminierte Ölfeld in Baku, Aserbeidschan, 1999. Rätselhaft das Motiv Messinghausen, Germany von 2010. Unweit von Brilon aufgenommen, zeigt es eine Steinkugel im Streiflicht, die einen elliptischen Schatten formt. Ist sie Teil eines Wrecking Balls von einem Abbruchbagger?Aufnahmeort ist ein ehemaliger Kalksteinbruch der Firma Rheinkalk. Alles in allem Ästhetik pur, ebenso wie Plant Flandersbach, Rhineland-Westphalia 1999. Ein helles, sanft geschwungenes überdachtes Förderband durchschneidet die gesamte Bildbreite von 280 cm. Bei Flandersbach, unweit von Wülfrath, liegt das größte Kalkwerk Europas.

Hervorstechend, weil es als einziges Bild einen Menschen zeigt, ist France, Region of Nord-Pas-de-Calais. The Nord ‘department’, City of Dunkerque, 1987. Ein Hüttenwerker (?) mit Helm und Schaufel steht trotzig und gerade noch erkennbar in der Bildmitte. Und lädt ein zu Interpretationen.

Ein Motiv im Zyklus Industries fällt im Wortsinn aus dem Rahmen: Rahels Grab, Israel, 2009. Es zeigt nicht etwa das Grab der legendären Matriarchin, sondern die israelische Sperranlage in Bethlehem. Irgendwo hinter den monströsen Betonwällen links und rechts befindet sich das Rahelgrab mit ihrer Kapelle, denn ursprünglich befand sich das Rahelgrab außerhalb der Sperranlage.

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Magnum-Fotograf Koudelka präsentiert seine von der Industrie umgeformten Landschaftsbilder, fotografiert zwischen 1987 und 2009, nicht als Ankläger. Er betont, dass er zwar die Zerstörung schrecklich findet, jedoch nicht die zerstörten Gegenden als solche. In den zermalmten Flächen der genutzten und bebauten Landschaften entdeckt er Strukturen und Linien. So zeigen seine Fotografien die verborgene Ordnung hinter dem Chaos.

Eine direkte Botschaft enthalten die Bilder nicht, wie Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums, betont: “Die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften zu beurteilen, die mit ihren Ressourcen so verschwenderisch umgehen, bleibt den Betrachtern selbst überlassen. Die Fotografien erlauben einen tiefen Blick in Landschaften, die durch den Eingriff des Menschen drastisch verändert wurden.“

Dr. Arnulf Siebeneicker, Leiter des LWL-Industriemuseums Schiffshebewerk Henrichenburg:“ Kein anderer Fotograf hat so deutlich gemacht, welche Kräfte entfesselt worden sind, um die Natur der Industrie unterzuordnen.” In tagelangen Wanderungen erschloss sich JK die Standorte von Stahlhütten, Kohlebergwerken und anderen Anlagen, bevor er seine Motive wählte.

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Josef Koudelka Industries. Panorama: knsy

Die Fotoabzüge stammen von Christophe Batifoulier/Picto.

Übrigens: Henri Cartier-Bresson haderte mit Koudelkas Panorama-Formaten und bezeichnete diese als Spaghetti-Fotos oder Schinkenstreifen-Bilder. Doch Koudelka beweist, welches Potential in einer Panoramakamera steckt.

Bis 4. Oktober
Hafengebäude
LWL-Industriemuseum
Schiffshebewerk Henrichenburg

Eine Kooperation mit Magnum Photos

Text: Hartmut Bühler
Fotograf Panoramen: knsy.de

757 Augenblicke für JR in Recklinghausen

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Das #insideoutproject A Global Art Project am Ruhrfestspielhaus

Der Franzose JR (*1983 in Paris) gilt als einer der gefeiertsten Streetart- und Fotokünstler weltweit. Visuell überwältigend sind u. a. seine Bilderschöpfungen Women are Heroes in Rio de Janeiro, das Geheimnis der Pyramide am Louvre Paris, The Chronicles of New York oder Giants in Tecate an der Grenze Mexico-USA. Nun ist JRs permanentes Inside out Project in Recklinghausen angekommen. Aber dort an der imponierenden Glasfassade des Festspielhauses, wirkt es leise und unspektakulär. Schuld daran ist der Bilderkiller Corona.

JR - Fotoinstallation: 'Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele', Foto: knsy

JR – Fotoinstallation: ‘Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele’, Foto: knsy

Auf dem Grünen Hügel in Recklinghausen werden die ‘Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele’ ausgestellt. Diese Social Distancing-Projektvariante, initiiert von JR, ‘veranschaulicht nicht nur das Nichtstattfinden, das Ausfallen der diesjährigen Ruhrfestspiele, sondern erinnert an die Kraft und der Bedeutung der Kunst als lebenserhaltenden Reflexions- und Spielraum, an ihre Notwendigkeit für eine gemeinsame Selbstverständigung einer lebendigen Gesellschaft’.

JR - Fotoinstallation: 'Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele', Foto: knsy

JR – Fotoinstallation: ‘Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele’, Foto: knsy

Jeder Print in den ungefähren Maßen 150 x 90 Zentimeter ist stark gerastert und mit der Aufschrift #insideoutproject A Global Art Project by JR und insideoutproject.net versehen. Die Fotos zeigen alte und junge Menschen, mit und ohne Migrationshintergrund. Sie schneiden Grimassen, lachen, blicken heiter, sind aber auch ernst bis würdevoll. Die Festspielleitung hatte zu Zeiten der Isolation im Mai d. J. zu dieser Mitmachaktion aufgerufen und Bewerber*innen zur Einsendung ihrer Portraits aufgerufen. Kameratyp egal, handy erlaubt. In diesem Zusammenhang bedauerlich: JR durfte nicht nach RE anreisen, um insideout persönlich zu performen.

JR - Fotoinstallation: 'Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele', Foto: knsye

JR – Fotoinstallation: ‘Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele’, Foto: knsy

JR ist ein Pseudonym und bedeutet Juste Ridicule – einfach lächerlich. Und dem Besucher wird klar: auch hier am Recklinghäuser Stadtgarten konterkariert JR sein Pseudonym. Nein, lächerlich wirken die 757 Augenpaare der derzeit größten Portraitgalerie Nordrhein-Westfalens nicht auf den Betrachter. Im Gegenteil: in jedem einzelnen und in der Summe aller Gesichter sind Ernst und Würde erkennbar. Und dies durchaus mit Langzeitwirkung.

Dauer: bis Ende August

Infos und Video zur Fotoinstallation auf
ruhrfestspiele.de

Text: Hartmut Bühler, Fotograf
Ausstellungsfotos: knsy.de

JR - Fotoinstallation: 'Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele', Foto: knsye

JR – Fotoinstallation: ‘Geschichten von 757 Besucher*innen und Künstler*innen der Ruhrfestspiele’, Foto: knsy

Streifzug der Woche vom 19. Juli 2020

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Im Streifzug der Woche vom 19. Juli 2020: Eine Fotoserie von Paul Fusco, ein Film von Richard Olivier und ein Musikclip von Freddy Pourcel

Paul Fusco: RFK Funeral Train

In 2018, looking back at those images, as the train approaches the terminal and the light begins to fade, you realize that you are watching the final hours of the great Democratic coalition that had dominated American politics since the election of Franklin Roosevelt, in 1932 – the coalition that would fracture six months later with the election of Richard Nixon, and which is now as dead as Robert Kennedy — Louis Menand. Fotos: Paul Fusco.

 

Am Mittwoch ist Paul Fusco gestorben. Ihm verdanken wir eine der stärksten Fotoserien, die ich kenne: Trauernde an Gleisen, unzählige, aufgenommen von Fusco aus dem fahrenden Zug, in dem der Leichnam des 1968 ermordeten Senators Robert Frank Kennedy zum amerikanischen Nationalfriedhof nach Arlington überführt wurde. Die Fotos landeten direkt im Archiv und wurden erst 2001 von Umbrage Editions in Buchform als RFK Funeral Train herausgeben. 2008 erschien bei Aperture eine Neufassung unter dem Titel Paul Fusco: RFK. Daraus dieser Text von Vicki Goldberg. Oder kurz mit Louis Menand 2018 im New Yorker: “Fusco’s photographs are amazing in pretty much every way.”

Menand geht in seinem Artikel auch zwei Folgeprojekte zu Fusco ein: Philippe Parrenos Reenactment-Film 8 June 1968 von 2009 und das 2018 erschienene Buch The People’s View von Rein Jelle Terpstra mit Fotos, die von Trauergästen am Gleis aufgenommen wurden und den Zug selbst zeigen (Ausstellung, Besprechung).

 

 

Richard Olivier: Marchienne de vie

Harter Themenwechsel: Filme und Fernsehbeiträge als Quelle zu Industrierregionen. Mit etwas Ausdauer lassen sich so Ansichten von Produktionsanlagen, baulichen Zuständen und regionalen Szenerien finden, von denen kaum oder auch keine Fotos bekannt sind. Für den Osten der Wallonie gibt es einen Glücksfall: Die Spielfilme der Dardenne-Brüder spielen alle in Seraing im Osten der Wallonie, als früherer Sitz der Cockerillschen Fabrik der Ort der belgischen Industrialisierung schlechthin.

Hauptort der Stahlindustrie im Westen der Wallonie ist Charleroi, und dort speziell Marchienne-au-Pont. Am Zusammenfluss von Sambre und Charleroi-Kanal gab es nicht nur eine einzigartige Konzentration von Stahl- und Hüttenwerken und bis vor kurzem die wohl spektakulärste Industrielandschaft Westeuropas, sondern seit spätestens Mitte der 1980er auch so enormen Niedergang, dass der Ort zumindest als “capitale de la douleur” (Le Monde) durchging, wenn nicht gar als “le trou du cul du monde” bei Richard Olivier. Von ihm stammt der knapp einstündige, leicht hal­lu­zi­na­to­rischen Film Marchienne de vie (1994). Olivier fährt und läuft umher, spricht mit allen möglichen Leuten, besucht Kirchen, Moscheen, Versammlungen, eine Kartenlegerin und einen Rentner mit Maschinengewehr, und mischt das Ganze so mit atmosphärischen Aufnahmen vorwiegend aus der mittlerweile seit fast 160 Jahren laufenden Fabrique de Fer oder kurz Fafer, wie es nur Belgier können.

Direkt zu Beginn eines der schönsten Geräusche der Hüttenindustrie: das Grollen und Donnern des auf den zu schmelzenden Schrottstücken tanzenden Lichtbogens im Elektroofen. Die 1977 in Betrieb genommene Anlage mit 200 Tonnen Fassungsvermögen, auch nach heutigen Maßstäben groß und eines von derzeit drei aktiven Stahlwerken in Charleroi, firmiert seit dem Jahr 2000 als Industeel. Dazu mehr in einem kommenden Streifzug. Wer nicht alles schauen möchte: Neben den ersten Minuten und der Schlussmontage ab ca. 51’15 lohnt vor allem der Teil von 19’46 bis 24’20 mit Friedhof und Friterie, auch ohne Französischkenntnisse.

Im Vergleich völlig unpoetisch, aber ebenfalls voll mit Aufnahmen mittlerweile verschwundener Anlagen in Charleroi: Quand tombent les usines, Fernsehbeitrag von 1990.

 

 

Freddy Pourcel/Kosmose: Charleroi Industry 1978

Ebenfalls Marchienne-au-Pont, mit einer Fahrt über die gleiche Straße eröffnend, in umgekehrter Richtung und 16 Jahre früher: Charleroi Industry von Freddy Pourcel für die Band Kosmose von 1978. Hier ist Marchienne mit maximaler Anlagendichte zu sehen, einschließlich der Vorkiegs-Hochöfen bei Thy-Marcinelle und der Hochofenbatterie in Dampremy. Eigentlich aber geht es um Apokalypse, und: alleine schon die mehrminütige Schlußseqenz mit ihrer frühen Computergrafik!

Kosmose war eine ungefähr von 1973 bis 1978 bestehende Krautrock-Truppe aus Charleroi. Veröffentlicht wurde ihre Musik erst in den letzten Jahren, hauptsächlich bei Sub Rosa. Als Ausklang dieses Streifzugs: Music From The Black Country.

 

 

Und sonst?

Klaus Wagenbach wurde 90, Interview mit ihm

70 Jahre Suhrkamp: Die Unseld-Jahre

Was ist eigentlich ein Meisterwerk? Christina Dongowski über Kunstfälschungen

Und Stichwort Streifzug: Pariser Abende, Roland-Barthes-Hörspiel

 

 

Text: Haiko Hebig

Fotos: Paul Fusco/Magnum/Library of Congress

Ausstellungen von Juli bis August

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Der Ausstellungsbetrieb läuft – Corona zum Trotz! Schaut vorbei, schaut herein – die Urlaubszeit macht’s hoffentlich möglich.

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

noch bis 31.7.2020
” Less and More“ Fotografien von Joachim Brohm
Beck & Eggeling
Bilker Str. 4-6
40213 Düsseldorf
beck-eggeling.de – Ausstellung

noch bis 31.7.2020
„Parallelwelten– Fotoarbeiten zur Kinderarmut in Deutschland“ Fotografien u.a. von Robert Freise, Yolanda vom Hagen, Harald Hoffmann, Stefan Kalscheid, Brigitte Kraemer, Frank Bruno Napierala, Achim Pohl, Andre Zelck
Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstr. 14
45886 Gelsenkirchen
wipage.de – Ausstellung

noch bist bis 16.8.2020
“Subjekt und Objekt – Foto Rhein Ruhr“ Fotografien u.a. von Joachim Brohm, Susanne Brügger, André Gelpke, Stefanie Grebe, Fatih Kurceren und Knut Wolfgang Maron
Kunsthalle Düsseldorf
Grabbeplatz 4
40213 Düsseldorf
kunsthalle-duesseldorf.de – Ausstellung

noch bis 2.9.2020
„Ruhrlandschaften“ Fotografien von Joachim Brohm
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
museum-ludwig.de – Ausstellung

noch bis 6.9.2020
„Die Zukunft hat schon begonnen“ Fotografien von Rudolf Hotappel
Ludwig Galerie Schloss Oberhausen
Konrad Adenauer Allee 46
46049 Oberhausen
ludwiggalerie.de – Ausstellung

noch bis 13.9.2020
„Sichtweisen – Die neue Sammlung Fotografie“ Fotografien u.a. von Chargesheimer und André Gelpke
Kunstpalast
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf
kunsthalle-duesseldorf.de – Ausstellung

noch bis 8.11.2020
Dokumentarfotografie Förderpreis 12 & 21. lettres.a.la.photographie.de – Fotografien u.a. von Christian Kasners
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
museum-folkwang.de – Ausstellung

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

25.7. bis 8.11.2020
„Mühl“ – Fotografien von Bernhard Fuchs
Josef Albers Museum – Quadrat Bottrop
Im Stadtgarten 20
46236 Bottrop
bottrop.de – Ausstellung

noch bis bis 4.10.2020
„Industries“ – Fotografien von Josef Koudelka
Schiffshebewerk Henrichenburg
Am Hebewerk 26
45731 Waltrop
lwl.org/industriemuseum – Ausstellung

noch bis 1.11.2020
„Die weite Stadt“ Fotografien von Heinz Josef Klaßen
Ruhr Museum
Gelsenkirchener Str. 181
45309 Essen
zollverein.de – Ausstellung

noch bis 20.6.2021
„VERSORGT! Betriebliche Fürsorge bei der GHH“
St. Antony-Hütte
Antoniestraße 32-34
46119 Oberhausen
industriemuseum.lvr.de – Ausstellung

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

noch bis 12.7.2020
„Untold Stories“ Fotografien von Peter Lindbergh
Kunstpalast
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf
kunstpalast.de – Ausstellung

noch bis 13.9.2020
„Martin Schoeller“
NRW Forum
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
nrw-forum.de – Ausstellung

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

2.7. – 27.9.2020
„Wilde Zeiten“ Fotografie von Günter Zint
Deutsches Zeitungsmuseum
Am Abteihof 1
66787 Wadgassen
kulturbesitz.de -Ausstellung

noch bis 12.7.2020
„An den Rändern der Seidenstrassen“ Fotografie von Eckhard Gollnow
VHS Photogalerie
Rotebühlplatz 23
70173 Stuttgart
vhs-stuttgart.de – Ausstellung

noch bis 2.8.2020
„Zeit-Zeug*innen -Ikonen des Bildjournalismus 1932-1986“
f³ – freiraum für fotografie
Waldemarstr. 17
10179 Berlin
fhochdrei.org – Ausstellung

noch bis 23.8.2020
„Fotografie plus Dynamit“ junge deutsche fotografie
Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin
adk.de – Ausstellung

23.8.2020 – 17.1.2021
„Michael Schmidt Retrospektive. Fotografien 1965 – 2014“
Hamburger Bahnhof Museum für Gegenwart
Invalidenstr. 50-51
10557 Berlin
smb.museum – Ausstellung

noch bis 30.8.2020
„gute aussichten 2018/2019“ Arbeiten von John Heartfield
Deichtorhallen
Deichtorstr. 1-2
20095 Hamburg
deichtorhallen.de – Ausstellung

 

zusammengestellt von Peter Liedtke
aktuelle Terminhinweise bitte an fotodesign.liedtke@gmx.de

Dokumentarfotografie Förderpreise 12 – Kasners, Kim, Klein, Steffens im Museum Folkwang

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Was war und was ist

Die ‘Dringlichkeit’ des Dokumentarischen liegt im ethischen Dilemma begründet, von einem Geschehen Zeugnis ablegen zu sollen, das als solches nicht zu vermitteln ist, sondern notwendig Elemente von Wahrheit ebenso wie ‘Dunkelheit’ enthält. – Hito Steyerl, Autorin und Filmemacherin.

„Die Ausstellung vereint vielfältige Arbeiten, für die sich die Fotografinnen und Fotografen mit der politischen und sozialen Verfasstheit unserer Welt auseinandersetzten, kreisen inhaltlich um gesellschaftspolitisch relevante Fragen der Gegenwart. Methodisch, formal und technisch loten sie die auslaufenden Grenzen einer fotodokumentarischen Wirklichkeit aus.“ (Pressetext).

Warum lässt mich das Gesehene kalt, warum blitzt hier nichts auf, wodurch ich fasziniert und berührt werde – wo ist die Magie? Ist es mir etwa zu ‘künstlerisch’? Die Fotos, an denen ich am längsten und dennoch nur kurz verweilte, zeigt Gesichter: sie stammen von Joscha Steffens (*1982).

Mit seinem Projekt Nexus widmet sich Steffens „dem Phänomen von Jugendlichen, die durch gemeinsames Computer-Gaming zu einer (quasi-)religiösen Erfahrung einer Glaubensgemeinschaft gefunden haben“. Er fotografiert „die Protagonisten des Gamingkults am Übergang von ihrem virtuellen Dasein als scheinbar allmächtiger Avatar zu der Rückkehr in die Realität – genau in dem Moment, wo sie im maßlosen kollektiven High des Spiels herausgeworfen werden.“

Ausstellungsfoto: KNSY

Im Ausstellungskatalog heißt es, die Förderpreisträger „vertreten eine solche künstlerische Haltung, die dazu einlädt, über die Gegenwart ins Gespräch zu kommen. Sie setzen ihre fotografischen Mittel mit Bedacht ein und reflektieren mit ihren Sujets unterschiedliche Zustände der Schwebe und Unsicherheit – eine instabile gesellschaftliche Situation, eine Annäherung an eine abstrakte Idee, die fließenden Grenzen zwischen der materiellen und der virtuellen Welt oder die ungewisse Situation einer Flucht.“

Jens Kleins (*1970) Arbeit Sunset präsentiert in mehr als 120 Schwarzweiß-Fotografien vermeintliche Orte der Flucht aus der DDR. Sein labyrinthisch visueller Essay wird ergänzt durch drei Texte in Stasi-Sprache wie diesen: Die unbekannte Person kam aus der Marienhofschlucht und verschwand auch wieder in dieser. Später wurde der Unbekannte beim Gestrüpp an der Schuttgrube gesichtet. In diesem Gebiet existieren schlecht oder gar nicht kontrollfähige Stellen. Alle Bilder stammen aus dem BStU-Archiv und wurden von MitarbeiterInnen der Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zwischen 1961-89 aufgenommen. Der Titel Sunset verweist auf die Fluchtrichtung.

Ausstellungsfoto: KNSY

Mit Paradise Complex begibt sich Jiwon Kim (*1982) auf die „poetisch und humorvolle“ Suche nach dem vermeintlich irdischen Paradies Costa Rica. Ihre Fotos werden ergänzt durch bedruckte Kaffeetassen (Motiv: Berg, Himmel, Wolken) und einer vierminütigen Videoinstallation auf einem gelben Surfbrett. Und mit gleich zwei Motiven von zu Schwänen gefalteten Handtüchern macht sie aus ihrer Verehrung zu Alec Soth keinen Hehl.

Im Katalogtext bilanziert Kim, dass sie sich nach vier Wochen in Mittelamerika nicht mehr fragte, welches wohl der schönste Ort der Welt sei, „vielleicht musste ich das gar nicht wissen. Die schönsten Orte sind nirgendwo, wenn überhaupt, sehen wir sie in Artefakten, in den Souvenirs und Plakaten, Dekogegenständen oder Filmen, die ihre Ideen transportieren.“

Ausstellungsfoto: KNSY

Christian Kasners (*1983) setzt sich mit Nová Evropa mit den historischen Hinterlassenschaften und politischen Erwartungshaltungen der BürgerInnen in Tschechien und deren Auswirkungen auf die Idee eines vereinten Europas auseinander. Neben 33 Europa-Statements von SchriftstellerInnen und Politikern zeigt der Pixelprojekt-Ruhrgebiet Fotograf seine Bilder zum Thema im Bildband Nová Evropa auf zwei Beistelltischen. Kasner lebt in Ceská Lípa/Tschechien und Gladbeck.

Ausstellungsfoto: KNSY

Die Mitglieder der Jury für die Förderpreise DF12 waren Florian Ebner (Kurator und Leiter des Cabinet de la Photographie im Centre Pompidou, Paris), Beate Gütschow (Professorin für Künstlerische Fotografie, Kunsthochschule für Medien Köln), René Hartmann (Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg), Felix Hofmann (Hauptkurator C/O Berlin), Sara-Lena Maierhofer (Künstlerin und Preisträgerin des Dokumentarfotografe Förderpreises 10, Berlin).

Die Ausstellung PreisträgerInnen Dokumentarfotografie Förderpreis der Wüstenrot Stiftung auf 450 Quadratmetern Fläche, kuratiert von Christin Müller (Leipzig), ist bis 8. November im erweiterten und neu gestalteten Untergeschoss des Museums Folkwang zu sehen.

Der Preis gilt als bedeutendste Auszeichnung seiner Art in Deutschland. Die Förderpreise werden seit 1994 alle zwei Jahre von der Wüstenrot Stiftung in Zusammenarbeit mit der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang vergeben. Sie sind mit jeweils 10.000 Euro dotiert.

Parallel dazu wird gezeigt 21.lettres.a.la.photographie(at)gmx.de – ein gesellschaftskritisch konzeptuelles Mailart-Projekt. Dieses hinterfragt den Glauben an zeitgenössische fotografische Autorenschaft und wird erstmals präsentiert.

noch bis 8. November 2020

museum-folkwang.de

Text: Hartmut Bühler
Ausstellungsfotos: KNSY.de

Streifzug der Woche: Ernest Mésière

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Im Streifzug der Woche vom 30. Juli 2020: ein früher Industrie­fotograf, eine Einladung, ein neues Förderprogramm, und fremde Filterblasen.

 
Henri Ernest Mésière

Manchmal stößt man auf Bilder, an die man immer wieder denken muss. Mir ging es so mit diesem Bild:

Es stammt vom französischen Fotografen Henri Ernest Mésière. Ich stieß darauf, als ich nach Material zu Félix Thiollier suchte, um den es in diesem Streifzug eigentlich gehen sollte. Thiollier kommt nächste Woche, denn wie Mésière 1917 die Massen auf seine Kamera zuströmen und dann einfrieren ließ, packt mich immer noch.

Mésière, 1862 in Caen geboren, war zuerst reisender und ab 1903 niedergelassener Fotograf, ab etwa 1914 in Paris. Seine Spezialität: als Photographe-Éditeur 18 mal 24 Zentimeter große, manchmal bis zu 80 Seiten starke Fotoalben, also: Imagebroschüren, für Industrieunternehmen aller Art herauszugeben. Seine handwerklich astreinen Aufnahmen beispielsweise von Hüttenwerken sind aus industriearchäologischer Sicht ein Fest. Seine größter Trumpf war aber sein Talent, Personen praktisch beliebiger Anzahl mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit wie ein Historienmaler im Bild anzuordnen. Dem Zufall überlassen ist dabei gar nichts. Repräsentiert werden Arbeitgeberinteressen in Reinform. Strenge Hierarchien als so homogenes Ganzes erscheinen zu lassen, gefiel auch dem französischen Staat. Zumindest eine Quelle berichtet, dass er Mésière im ersten Weltkrieg mit der Produktion von Alben beaufragte: Fotos von Industriearbeit für den Industriekrieg, zur Steigerung der Kriegsbegeisterung.

Einige Mésière-Alben sind online zu finden, darunter…

…das Album der Société Métallurgique de Knutange, auch bekannt als Hütte Friede, von 1920…

 

der Forges et Aciéries du Nord et de l’Est von 1929, einem Vorläufer der im vorherigen Streifzug erwähnten USINOR,…

 

…und undatiert das der Keramikfabrik Hippolyte Boulenger. Ausweislich der Adressangabe ist es zwischen 1914 und 1935 entstanden. Zum Vergleich der Ort auf zwei zeitgenössischen Postkarten. Die Titelblätter waren nicht immer so progressiv gestaltet wie dieses. Anfangs eher auf Nützlichkeit ausgerichtet, hielt mit der blauen Druckfarbe Eleganz Einzug. Interessant wäre zu wissen, wie sehr sich Mésière bei der Umschlaggestaltung auf die Vorstellungen seiner Auftraggeber eingestellt hatte. Konstanz gibt es auf den Innenseiten: Alle folgten dem stets gleichen Muster. Gedruckt wurden sie als Doppelseiten mit Zwischenpapier.

 

Das Werk auf dem ersten Bild ist übrigens weiterhin aktiv. Die 1818 bei Toulouse als Société métallurgique de l’Ariège gegründeten Usines de Pamiers firmieren ab 1907 und auch heute wieder als Aubert & Duval, mit Zwischenstationen u.a. bei Creusot-Loire und Usinor. Hergestellt werden Spezialitäten für Luft- und Raumfahrt, Turbinen, Kerntechnik, Waffen. 2007 ging in Pamiers ein komplettes zweites Werk in Betrieb. Kernstück der Airforge ist eine vom Krefelder Anlagenbauer Siempelkamp gelieferte 40.000-Tonnen-Gesenkschmiedepresse für Flugzeugteile aus Titan- und Nickel-Legierungen. Mit sehr großen Pressen kennt man sich aus: Seit 1976 betreibt Aubert & Duval in der Interforge Issoire etwas weiter nördlich bei Clermont-Ferrand eine 65.000-Tonnen-Anlage ukrainischer Bauart eine der weltweit stärksten überhaupt. Auch sie sollte ursprünglich in Pamiers aufgestellt werden. So großen Pressen braucht, wer Luftfahrt betreiben möchte, und im Bereich ab 50.000 Tonnen gibt es nur sieben Stück weltweit.

 

 

Pixelprojekt_Ruhrgebiet – Neuaufnahmen 2019/2020

Am 13. August findet die Eröffnung der diesjährigen Pixelprojekt-Ausstellung statt. Wenn Sie teilnehmen möchten, schicken Sie bitte Ihren Namen und Ihre Anschrift an Peter Liedtke – die Voranmeldung ist wegen Corona erforderlich.

Zur Neuaufnahme in die Sammlung ausgewählt wurden Fotografien von: Bernd Arnold, Karl Banski, Benito Barajas, Jochen Eckel, Amina Falah, Robert Freise, Werner Freise, Wolfgang Fröhling, Haiko Hebig, Andreas Hölz, Peter Iwers, Brigitte Kraemer, Fatih Kurceren, Hendrik Lietmann, Stefanie Pluta, Edwin Rach, Janosch Rauter, Allan Schmidt, Michael Schulz und Claudia Thoelen.

Pixelprojekt_Ruhrgebiet – Neuaufnahmen 2019/2020, Wissenschaftspark Gelsenkirchen, Munscheidstraße 14, 45886 Gelsenkirchen. Eröffnung am 13. August 2020 um 18:30 Uhr. Ausstellung bis zum 13. November 2020. pixelprojekt-ruhrgebiet.de. Einladungskarte mit Programm als PDF.

 

 

NRW-Stärkungspaket “Kunst und Kultur”

“Ausgeschrieben werden bis zu 15.000 Stipendien, die mit je 7.000 Euro dotiert sind. Bewerben können sich freischaffende, professionelle Künstlerinnen und Künstler aller Sparten, deren Hauptwohnsitz in Nordrhein-Westfalen liegt und die ihre künstlerische Tätigkeit im Haupterwerb betreiben.” Neues Programm des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW, Bewerbung ab dem 10. August.

 

 

Und sonst?

TheirTube: “So you could find out things that you didn’t know you wanted to know” war mal ein Slogan einer finnischen Tageszeitung. Bei den derzeitigen auf Wiederholung, Verengung und Zuspitzung ausgelegten Vorschlagsmechanismen ist von dieser Idee herzlich wenig übrig gelieben. Daher: TheirTube um die YouTube-Bubbles anderer Leute zu sehen, und Vicariously, das Gegenstück für Twitter. (Via Kottke.)

 

 

Text: Haiko Hebig

Titelbild: Fatih Kurceren


Pixelprojekt_Ruhrgebiet: Neuaufnahmen-Serien 2019/20

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Erkennen und Handeln durch Emotionalisierung

Mit 21 neuen Fotoserien haben sich elf weitere Bildautor*innen ihren Platz im regionalen fotografischen Gedächtnis erobert. An der 300 Meter langen Ausstellungswand gibt es drei auffallende Serien: die sind von Stefanie Pluta ‘Tape Studies’, von Amina Falah Pott-á-Porter und ‘Pithead’ von Fatih Kurceren.

Ausstellung Neuaufnahmen Pixelprojekt Ruhrgebiet 2020. Foto: KNSY

Ausstellung Neuaufnahmen Pixelprojekt Ruhrgebiet 2020. Foto: KNSY

Die Schwarzweiß-Fotos von Stefanie Pluta, aufgenommen im Hauptbahnhof Duisburg, dokumentieren den provisorisch-dauerhaften Einsatz von Klebeband im öffentlichen Raum. Im Klartext, Gaffatape rettet die mutwillig oder durch Erschütterungen beschädigten Mattglasscheiben vor dem endgültigen Herausbrechen. Das sieht durch Plutas Blick sehr dekorativ-abstrakt aus: ja, die geklebten Scheiben sind durchaus Readymades mit künstlerischen Anspruch.

Amina Falah interessiert die Mode und das Lebensgefühl junger Menschen im Ruhrgebiet und wählt für ihre Serie den rustikalen Kalauer Pott-á-Porter. Optik, Licht und Posen kennt der Betrachter aus einschlägigen Jugendkultur- und Modefanzines oder dem Magazin der Süddeutschen Zeitung. Egal: ihre Fotos der ‘ugly chic Kultur’ sind ganz im hier und heute verankert. Gut so. Frische Bilder fürs Pixelprojekt_Ruhrgebiet.

Die Pitheads von Fatih Kurceren – junge und jugendliche ‘Zechenköpfe’ werden laut Tobias Zielony „nicht als bloße Opfer sozialer Mißstände, sondern als Akteure ihrer eigenen Lebensentwürfe“ präsentiert. In der Tat, auch diese Serie wirkt wie neues Spenderblut fürs P_R. Kenner sehen in Kurcerens Bildsprache stets den Einfluss seines Förderers Zielony – bestimmt wird sich der in Bursa/Türkei geborene Oberhausener Fotograf irgendwann von der Zielony-esken Bildsprache emanzipieren. Das Plakatmotiv zur Ausstellung stammt übrigens von Kurceren, der auch mit mehreren Bildern in der Düsseldorfer Fotoausstellung SUBJEKT und OBJEKT. FOTO RHEIN RUHR vertreten war.

Foto: KNSY

Foto: KNSY

Gefallen haben die aktuelle Reportage von Allan Schmidt „Ende Gelände – Besetzung des Kohlekraftwerks 4“ in stimmigem Licht und reduzierter Farbgebung. Echte Menschen und ansteckendes Lachen sehe ich gerne: so wie in Claudia Thoelens Schwarzweiß-Bilderstrecke ‘Da Silva – eine portugiesische Migrantenfamilie’ – sie ist jedoch 38 Jahre alt. Und vor 35 Jahren fotografierte Jochen Eckel seine sw-Serie Kokerei Zollverein. Brigitte Kraemers Auf der Schwelle – Leben im Frauenhaus von 2013/14 ist empathisch fotografiert und berührt ob ihres tragischen Themas.

Bizarr die Doppelhaushälften, die Wolfgang Fröhling vergangenes Jahr im Ruhrgebiet entdeckt hat: Einige Frontansichten sind derart schaurig geraten, dass man ihre Bewohner lieber nicht kennenlernen will. Blick für Kurioses beweist Janosch Rauter mit rebuild.ing Hochheide SUPPLEMENT, 2019: bei der Aufschüttung des Schutzwalls zur Vorbereitung der Sprengung des ersten „Weißen Riesens“ in Duisburg-Hochheide wurden aus dem Erdreich Findlinge und kleinere Geschiebe an die Oberfläche befördert. Rauters Serie zeigt ‘die erratischen Blöcke, die sich einst vom Ort ihrer Entstehung durch eine Gletscherschmelze über weite Distanzen dorthin verirrt haben, an ihrem kurzfristigen Ablagerungsort’.

Sehenswert die Fernwärmerohrleitungen „Das Rohrgebiet“ von Hendrik Lietmann (von 1978-85), die Innenansichten aus dem Rathaus Kamp-Lintfort von Karl Banski und die Aufnahmen von Edwin Rach, die an die Tragödie der Loveparade 2010 erinnern. Aber Bernd Arnold hat schon begeisterter fotografiert als diese seine Schiffstour-Bildstrecke auf der Ruhr von Mülheim nach Kettwig von 1986.

Foto: KNSY

Foto: KNSY

Spannend die Story, wie sich Robert Freise die Erlaubnis erkämpfte, die letzte deutsche Boxbude und ihre Akteure 2017/18 auf der Cranger Kirmes zu fotografieren: Er mußte erst Inhaber Charly Schulz im Schach besiegen. Bei seinen Bildern vermisse ich aber Schweiß und Tränen, die Faszination und Magie des Boxsports muss ich suchen.

Komplettiert wird der Bilderreigen von Werner Freises (*1927) Industriemotiven aus Bochum, Essen und Oberhausen aus den 1950er Jahren und Heiko Hebigs Langzeitbeobachtung (2010-20) zum Hüttenwerk der Dortmunder Union und den angrenzenden Wohngebieten. Das von 1856 bis 2015 betriebene Werk war nicht nur der erste vertikal integrierte Montankonzern Deutschlands, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg in Form der Dortmund-Hörder Hüttenunion DHHU auch größter Stahlproduzent des Landes. Und Michael Schulz untersucht mit When Coal Left Town 2020 den ‘derzeitigen Status der verbleibenden Fördertürme in im Ruhrgebiet nachdem die Steinkohleförderung endgültig eingestellt ist’.

Benito Barajas setzt die ‘Brautmeile Duisburg-Marxloh’ bestechend in Szene. Nirgendwo sonst in Europa gibt es so viele türkische Brautmodengeschäfte auf engstem Raum, Schaufenster voller Kleider, Smokings, Ringe und Hochzeitstorten.

Foto: KNSY

Foto: KNSY

Fazit: Acht ‘neue Serien’ sind der Vergangenheit gewidmet und neun den Jahren 2018-20. Historie ist wichtig, Aktualität ein Muss und Ausblicke in die Zukunft wünschenswert. Aber wo bitte bleiben die im Wortsinne aufblitzenden, grellen, überraschenden, verblüffenden Bilderserien von auch nicht professionellen Fotog*nnen, gerne auch nur mit smartphone erstellt? Die müssen gesucht und gefunden werden, um das Pixelprojekt_Pixelprojekt weiterhin innovativ, unvorhersehbar, spannend und zukunftsfähig zu machen.

2003 wurde das Pixelprojekt_Ruhrgebiet als freies Projekt in den Händen der Bildautor*innen jenseits von Wissens- und Informationsmonopolisten gegründet. „Jenseits von kommerziellen Verwertungsinteressen, auch jenseits von Information oder Bildung geht es in dem Projekt um Erkenntnis durch Erkennen, und Handeln durch Emotionalisierung“, sagt Peter Liedtke, unermüdlicher Initiator und Motor des Pixelprojekt_Ruhrgebiet.

Auf der Website von pixelprojekt-ruhrgebiet.de sind sämtliche Neuaufnahmen – und noch viel mehr – zu sehen.

Das Pixelprojekt_Ruhrgebiet wird unterstützt von der Brost Stiftung, dem Regionalverband Ruhr, dem Ruhr Museum, dem Wissenschaftspark Gelsenkirchen, der Sparkasse Gelsenkirchen, der Stadt Gelsenkirchen, dem Förderverein Pixelprojekt_Ruhrgebiet, dem werkbund und der Deutschen Gesellschaft für Photographie DGPh.

Das Projekt wurde mit Mitteln des Kulturministeriums NRW aufgebaut.

Noch bis 13. November 2020

Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen

www.wipage.de

Text: Hartmut Bühler, Fotograf
Ausstellungsfotos: KNSY.de

Foto: Pixelprojekt

Foto: Pixelprojekt

 

Foto: KNSY

Foto: KNSY

Streifzug der Woche: Glitches

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Im Streifzug der Woche vom 31. August: Sprünge in der Kartierung der Welt, Veranstaltungshinweise und ein früher Film

Glitches

Sprünge, Spuren und Fehlstellen in der Kartierung der Welt, 1920–1990…

…und heute:

Microsofts neuer Flight Simulator macht aus einem Tippfehler in OpenStreetMap-Daten ein 212-stöckiges Hochhaus, so kerzengerade, dass die Pencil Towers am Central Park dagegen Ödnisse der Baukonstruktion sind. Man kann darauf sogar landen, und beim nächsten Datenupdate ist alles weg. Getarnt als Flugsimulator, markiert das Programm die aktuelle Eskalationsstufe bei 3D-Weltmodellen.

 

Symposien

Symposium im Live-Stream: Return to Sender: Utopien und Grenzen zirkulierender Bilder, von c/o Berlin, heute, 31. August, 18:00–20:30 Uhr und morgen, 01. September, 10:45–17:00 Uhr live auf YouTube

Folkwang-Symposium 1: CONT·ACT! Fotografie und Handlungsmacht, Programm (PDF) und Beschreibung (PDF), 16. und 17. Oktober, Anmeldung bis zum 11. Oktober

Folkwang-Symposium 2: Eine Frage der Perspektive – Über transkulturelle und vernetzte Arbeitsweisen, zur “Dekonstruktion starrer Narrative” mittels Fotografie im Rahmen Wüstenrot-Dokumentarfotografie-Förderpreise 12, am 30. Oktober

 

Und sonst?

Fliegende Kamera in futuristischer Welt: Flying Train, vom Moma restaurierter 68-Millimeter-Film der Wuppertaler Schwebebahn von 1902, als Film ganz neu war. (MoMa Film Vault Summer Camp via Kottke)

 

Text: Haiko Hebig
Luftbilder: Haiko Hebig mit Material des Regionalverbands Ruhr CC BY-NC-SA 4.0
Flight-Simulator-Bilder: @liamosaur

Fotografien aus dem RVR-Fotoarchiv im LVR-Industriemuseum Peter-Behrens-Bau in Oberhausen

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“Die Zukunft im Blick”

(idr). Zum 100-jährigen Bestehen des Regionalverbands Ruhr (RVR) zeigt das LVR-Industriemuseum im Peter-Behrens-Bau in Oberhausen ab dem 20. September 2020 erstmals und in großem Umfang Fotografien aus dem RVR-Fotoarchiv.

Mehr als 250 Fotografien spiegeln über den Zeitraum von 100 Jahren das Leben der Menschen wider – inmitten von Zechen, Stahlwerken, Bahndämmen und Schnellwegen sowie im Grünen, in Parks und an und auf den Gewässern an Ruhr und Lippe.

Luftaufnahme des Ruhrschnellwegs an der Wattenscheider Straße in Bochum 1963. Luftaufnahme KVR.

 

Unter dem Titel “Die Zukunft im Blick” dokumentieren die Fotos die Planungs- und Verbandsgeschichte für das Ruhrgebiet. Beispiele zu den Themen Mobilität und Versorgung, Wohnen und Arbeiten sowie Kultur und Freizeit verdeutlichen die Veränderungsprozesse seit der Gründung des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk im Jahre 1920.

Kinder in einem Vorort Duisburgs, 1969. Foto: Wolfgang P. Schreier.

Kinder in einem Vorort Duisburgs, 1969, Foto: Wolfgang P. Schreier.

 

Zahlreiche Profis wie Laien drückten auf den Auslöser, um die damals für Ausstellungen, Verbandsbroschüren und Pressearbeit benötigten aktuellen Fotos zu erstellen. Bekannte Fotografen der Nachkriegszeit wie Karl Hugo Schmölz und Hans Grempel lieferten Aufnahmen aus der Zeit des Wiederaufbaus nach 1945. Lebensnahe Bilder vom “Ruhrpott” zwischen Industrie und Strukturwandel steuerten Joachim Schumacher und Manfred Vollmer oder Manfred Ehrich seit den 1970er Jahren bei.

Freibad und Liegewiesen im Revierpark Nienhausen, 1977, Foto: Manfred Ehrich.

Freibad und Liegewiesen im Revierpark Nienhausen, 1977. Foto: Manfred Ehrich.

 

Rund 35.000 Bildträger aus dem RVR-Bestand, die der LVR als Depositum aufbewahrt, sind in den vergangenen Jahren in einem Kooperationsprojekt zwischen dem Regionalverband Ruhr (RVR) und dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) systematisch untersucht worden. Den Großteil des Bestandes machen originale Glasnegative und verglaste Dias aus der Zeit zwischen den 1920er und den 1950er Jahren aus. Von den Originalvorlagen wurden für die Ausstellung über 160 Fotos hochwertig reproduziert, weitere 150 Aufnahmen sind in Diaprojektionen und digitalen Blätterbüchern zu sehen. Ein digitales Spieleangebot an eigens für die Ausstellung produzierten Medientischen ergänzt die Ausstellung.

Die Schau ist bis zum 30. Mai 2021 zu sehen.

Industriemuseum.lvr.de

aus: Informationsdienst Ruhr, 17. September 2020.

 

“Abenteuer?”, Fotocollage für die SVR-Werbekampagne in der Zeitschrift “Schöne Welt” der Deutschen Bundesbahn, 1975,
Grafikdesign: Gerhard Hotop

 

Ausstellungen im Oktober

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Unser Ausstellungskalender ist gut gefüllt – lasst Euch überraschen und von Corona nicht abhalten, die ein oder andere Ausstellung anzugucken. Es lohnt sich bestimmt – wie immer!

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

noch bis 11.10.2020
Wolfgang Schulz und die Fotoszene um 1980“ – Fotografien u.a. von Joachim Brohm, André Gelpke und Petra Wittmar
Museum für Fotografie
Jebensstr. 2
10623 Berlin
smb.museum – Ausstellung

noch bis 23.10.2020
Fleurs II“ – Fotografien u.a. von Duane Michals
Galerie Clara Maria Sels
Poststr. 3
40213 Düsseldorf
galerie-claramariasels.de

noch bis 25.10.2020
Schumann Collection – Fotografie in Westdeutschland ab 1945“ – Fotografien u.a. von Andé Gelpke
Museum im Kulturspeicher
Oskar-Laredo-Platz 1
97080 Würzburg
kulturspeicher.de – Ausstellung

noch bis 8.11.2020
Dokumentarfotografie Förderpreis 12“ – Fotografien u.a. von Christian Kasners
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
museum-folkwang.de – Ausstellung

noch bis 8.11.2020
21. lettres.a.la.photographie.de“ – Fotografien u.a. von André Gelpke und Andreas Weinand
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen

museum-folkwang.de – Ausstellung

noch bis 13.11.2020
Pixelprojekt_Ruhrgebiet – Neuaufnahmen 2019/2020“
Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstr. 14
45886 Gelsenkirchen
wipage.de – Ausstellung

noch bis 17.11.2020
Wandel durch Kultur“ – Fotografien von Rainer Schlautmann
Die Wolfsburg
Falkenweg 6
45478 Mülheim an der Ruhr
die-wolfsburg.de – Ausstellung

noch bis 3.1.2021
Zusammenleben“ – Fotografien u.a. von Joachim Brohm
Kunsthalle Darmstadt
Steubenplatz 1
64293 Darmstadt
kunsthalle-darmstadt – Ausstellung

noch bis 30.5.2021
Die Zukunft im Blick – Fotografien u.a. von Joachim Schumacher und Manfred Vollmer
Peter Behrens Bau
Essener Str. 80
46047 Oberhausen
industriemuseum.lvr.de – Ausstellung

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

bis 18.10.2020
„a theory on the world“ – Fotografien von Benno Schlicht
Projektraum Fotografie
Huckarderstr. 8-12
44147 Dortmund
projektraumfotografie.de – Ausstellung

24.10. – 15.11.2020
„World Press Photo 20“
Kulturort Depot Dortmund
Immermannstr. 29
44147 Dortmund
depotdortmund.de – Ausstellung

noch bis 30.10.2020
„Librairies: The Return“ – Fotografien von Candida Höfer
Neue Galerie Gladbeck
Bottroper Str. 17
45964 Gladbeck
galeriegladbeck.de – Ausstellung

noch bis 1.11.2020
Die weite Stadt“ Fotografien von Heinz Josef Klaßen
Ruhr Museum
Gelsenkirchener Str. 181
45309 Essen
zollverein.de – Ausstellung

noch bis 8.11.2020
Mühl“ – Fotografien von Bernhard Fuchs
Josef Albers Museum – Quadrat Bottrop
Im Stadtgarten 20
46236 Bottrop
bottrop.de – Ausstellung

noch bis 4.10.2021
„Industries“ – Fotografien von Josef Koudelka
Schiffshebewerk Henrichenburg
Am Hebewerk 26
45731 Waltrop
lwl.org/industriemuseum/standorte/schiffshebewerk-henrichenburg – Ausstellung

noch bis 20.6.2021
VERSORGT! Betriebliche Fürsorge bei der GHH“
St. Antony-Hütte
Antoniestraße 32-34
46119 Oberhausen
industriemuseum.lvr.de – St. Antony – Ausstellung

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

noch bis 25.10.2020
„Momentography of a failure“ – Fotografien von Nafiseh Fathollazadeh
Fotoraum Köln
Herderstr. 88
50935 Köln
fotoraum-koeln.de

29.10. 2020 – 10.1.2021
„Empört euch!“ – Fotografien u.a. von Peggy Buth, Sven Johne und Julian Röder
Kunstpalast
Ehrenhof 4-5
40479 Düsseldorf
kunstpalast.de – Ausstellung

PixelprojektRuhrgebietNRWDeutschland

3.10 – 29.11.2020
Blinde Fotograf*innen“ – Fotoarbeiten von Susanne Emmermann, Mary hartwig, Silja Korn, Gerald Pirner
f3 – freiraum für fotografie
Waldemarstr. 17
10179 Berlin
fhochdrei.org – Ausstellung

noch bis 17.1.2021
Michael Schmidt Retrospektive. Fotografien 1965 – 2014“
Hamburger Bahnhof Museum für Gegenwart
Invalidenstr. 50-51
10557 Berlin
smb.museum – Ausstellung

Chris Killip

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Im Streifzug der Woche vom 16. Oktober: Chris Killip und die Politik der Gegenwart.

 
Chris Killip

Chris Killip ist tot. Für mich einer der Größten, wenn nicht der Größte. Statt vieler Worte ein kleines Interview:

 

 
Deindustrialization and the Politics of Our Time

Passend dazu ein neues Forschungsprojekt, in dem 34 Hochschulen, Gewerkschaften und Museen in Europa und Nordamerika Deindustrialisierung und die Politik der Gegenwart vergleichend untersuchen wollen, und zwar vor allem den möglichen Zusammenhang zwischen Deindustrialisierung und erstarkendem Populismus. Mit Politik ist neben der “großen” insbesondere auch die Politik von Industriedenkmalpflege und Industriekultur gemeint – das könnte also interessant werden. Dazu diese Artikelreihe und von jetzt bis März eine eröffnende Serie digitaler Workshops.

 

Text: Haiko Hebig

Bild: Simon Being Taken out to Sea for the First Time since His Father Drowned, Skinningrove, North Yorkshire, 1983, Print 2014, Chris Killip.

Deutscher Fotobuchpreis für Publikation zur Aenne-Biermann-Ausstellung im Museum Folkwang

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Essen (idr). Das als Zusammenarbeit der “Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Pinakothek der Moderne” mit dem Museum Folkwang in Essen erschienene Buch “Aenne Biermann. Fotografin” hat den Deutschen Fotobuchpreis in Gold in der Kategorie “Fotogeschichte” gewonnen. Die Monografie erschien anlässlich der diesjährigen Ausstellung “Aenne Biermann. Vertrautheit mit den Dingen” im Museum Folkwang.

Aenne Biermann (1898 –1933) zählt zu den festen Größen der Fotografie der 1920er und 1930er Jahre. Sie entwickelte einen eigenen signifikant modernen Bildstil, der sie innerhalb kürzester Zeit als Vertreterin der zeitgenössischen Avantgardefotografie etablierte. “Das Buch wirkt modern, schnörkellos, dem Geist des Themas angemessen”, so die Jury. Herausgeber sind Simone Förster und Thomas Seelig. Das Buch ist im Verlag Scheidegger & Spiess erschienen.

Der Wettbewerb Deutscher Fotobuchpreis wird von der Hochschule der Medien ausgerichtet.

Infos: www.deutscher-fotobuchpreis.de und www.museum-folkwang.de

Ute Eskildsen erhält Kulturpreis der DGPh

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Die Kuratorin und Photohistorikerin Ute Eskildsen erhält den Kulturpreis 2020 der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh).

Als eine Pionierin der Photoszene hat sie maßgeblich zur Etablierung und Konsolidierung des Mediums in der deutschen und internationalen Kunstlandschaft beigetragen: Eskildsen hat Ausstellungen kuratiert, die heute Teil der Photogeschichte sind, eine der herausragenden photographischen Museumssammlungen Europas aufgebaut und sich für die Förderung junger Photograph*innen und Kurator*innen engagiert.

Die ausgebildete Photographin und Photohistorikerin Ute Eskildsen hat in den 33 Jahren ihrer Tätigkeit für das Museum Folkwang in Essen früh eine für Deutschland und Europa vorbildliche photographische Sammlung konzipiert und kontinuierlich weiterentwickelt.

Auf der Grundlage der Studiensammlung ihres Lehrers Otto Steinert, die dieser seit 1958 für das Photostudium an der Folkwangschule in Essen aufgebaut hatte, mit präzisem Blick für photographische Qualität, Beharrlichkeit und enormer Tatkraft hat sie Zentrales zur Institutionalisierung und Sammlung, Erforschung, Bewahrung und Vermittlung des Mediums beigetragen und dadurch national und international hohes Ansehen erlangt.

Weitere Infos auf dgph-Website:

dgph.dep – presse


Frohe Weihnachten

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Ruhrspeak wünscht frohe Weihnachten!

Mark Neville: Port Glasgow Town Hall Christmas Party. Mark Neville produzierte über die von Strukturwandel betroffenen britischen Gemeinden Corby und Port Glasgow Fotobücher und verteilte dann jeweils ein Exemplar an jeden Haushalt dort, statt sie in den Handel zu bringen.

Frohe und besinnliche Weihnachtstage wünscht Ihnen die Redaktion von Ruhrspeak: Peter Liedtke, Martina Kötters und Haiko Hebig. Vor allem: Bleiben Sie gesund!

Foto: Mark Neville, Port Glasgow Town Hall Christmas Party, 2005,
© Mark Neville, National Galleries of Scotland

Fotografin Barbara Klemm erhält Internationalen Folkwang-Preis 2021

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Essen (idr). Der mit 10.000 Euro dotierte Internationale Folkwang-Preis geht an Barbara Klemm. Die 1939 in Münster geborene Fotografin zählt zu den bedeutendsten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit.

Mit ihren Reisedokumentationen, Portraits und Aufnahmen politischer Umbrüche und alltäglicher Szenen hat sie das Bildgedächtnis über mehrere Jahrzehnte hinweg geprägt. Eines ihrer berühmtesten Fotos ist der “Bruderkuss” zwischen SED-Parteichef Honecker und Sowjetführer Breschnew (1979).

“Barbara Klemm hat mit ihrem fotografischen Lebenswerk aus humanistischer und künstlerischer Perspektive zur Rezeption und Vermittlung von gesellschaftlichen Entwicklungen im Sinne der Folkwang-Idee entscheidende Impulse beigetragen”, heißt es in der Begründung für die Entscheidung. Die Preisverleihung findet am 4. Oktober statt.

Mit dem Internationalen Folkwang-Preis zeichnet der Folkwang-Museumsverein seit 2010 Menschen und Institutionen aus, die sich im Sinne des Museumsgründers Karl Ernst Osthaus in besonderer Weise für die Förderung und Vermittlung von Kunst an eine breite Öffentlichkeit verdient gemacht haben.

Infos: www.museum-folkwang.de

Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie für Pixelprojekt-Fotografin Sabine Bungert

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Für ihr Projekt “Der Raum ist der dritte Lehrer” ist Sabine Bungert zusammen mit dem Fotografen Stefan Dolfen mit dem Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie 2021 ausgezeichnet worden.

Das Projekt hat die Jury des Preises, den die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) und die Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) gemeinsam vergeben, unter fast 100 Bewerbungen ausgewählt.

Ziel des in diesem Jahr geförderten Foto-Projektes ist eine gezielte Auseinandersetzung mit der Architektur und der speziellen Raumgestaltung ausgewählter Hamburger Schulen. Inspiriert ist es von den Ideen des italienischen Pädagogen Loris Malaguzzi.

Die beiden erfahrenen Dokumentar-Fotografen wollen unterschiedliche Schulgebäude, darunter das in einem Komplex von Fritz Schumacher untergebrachte Johanneum, die von Jos Weber entworfene Stadtteilschule Mümmelmannsberg und das Christianeum von Arne Jacobson, mit ihrer für die jeweilige Entstehungszeit typischen Ästhetik aus Materialien, Oberflächen und Farben in einer eigenen visuellen Sprache verdichten.

Die Jury begründete ihre Entscheidung mit der hohen Signifikanz der Projektidee für die auch in der Corona-Pandemie wieder viel diskutierte zukünftige Gestaltung von Räumen des Lernens und der einzigartigen Qualität von Sabine Bungerts und Stefan Dolfens bisherigen Arbeiten.

Der Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie besteht aus einem Arbeitsstipendium in Höhe von 8.000 Euro und ist im Herbst 2018 erstmals ausgeschrieben worden.

Der Preis wird jährlich mit dem Ziel vergeben, eine künstlerisch-dokumentarische Bilderserie zum Stadtbild Hamburgs und seiner aktuellen Veränderungen anzufertigen, ist nach dem Fotografen Georg Koppmann (1842-1909) benannt, der die Entwicklung Hamburgs zur modernen Großstadt am Ende des 19. Jahrhunderts erstmals systematisch dokumentiert hat.

Weitere Informationen zum Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie:
shmh.de – Fotopreis

Weitere Informationen über Sabine Bungert und Stefan Dolfen:
sabinebungert.de  und eye-d-design.de

Machbarkeitsstudie sieht Essen als geeigneten Standort für Nationales Foto-Institut

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Berlin/Essen (idr). Essen ist der geeignete Standort für das geplante Nationale Bundesinstitut für Fotografie in Essen. Das geht aus der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie hervor, die das Bundesministerium für Kultur und Medien jetzt veröffentlicht hat.

Neben der Standortempfehlung gibt die Studie auch eine Kostenprognose und enthält einen Vorschlag für einen Stellenplan. Entstehen soll das Institut, das die Werke deutscher Fotografinnen und Fotografen sammeln, bewahren und ausstellen soll, auf dem Gelände des Welterbes Zollverein. Standortunabhängig kalkuliert das Gutachten Realisierungskosten von rund 125 Millionen Euro.

Essen sei seit mehr als 100 Jahren ein wichtiger Standort der Fotografie in Deutschland und verfüge mit dem Historischen Archiv Krupp, dem Museum Folkwang, der Stiftung Ruhr Museum und der Folkwang Universität der Künste über eine hervorragende Vernetzung im Bereich der Fotografie, heißt es aus dem Kulturministerium.

Zollverein biete nicht nur den notwendigen Platz, sondern könne ein Areal in unmittelbarer Nachbarschaft der Folkwang Universität der Künste zur Verfügung stellen, das symbolisch wie kein zweites für den Wandel in der Region stehe und jährlich Gäste aus der ganzen Welt ins Ruhrgebiet locke, kommentierte Prof. Dr. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein, das Studienergebnis.

Als nächsten Schritt empfiehlt das Gutachten die baldige Einsetzung eines Aufbaustabs. Er soll die Entwicklung des Instituts begleiten und weitere konzeptionelle Präzisierungen erarbeiten.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte die Machbarkeitsstudie im Frühjahr 2020 bei der Beratungsagentur Partnerschaft Deutschland GmbH in Auftrag gegeben. Zuvor hatte eine Expertenkommission unter Leitung des Fotokurators Thomas Weski ein Konzept zur Errichtung eines Foto-Instituts vorgelegt.

Infos unter
https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/machbarkeitsstudie-liegt-vor-1876084

24 neue Serien für das Pixelprojekt Ruhrgebiet

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Gelsenkirchen (idr). Das Pixelprojekt Ruhrgebiet wächst weiter: Das fotografische Gedächtnis der Region wird um 24 neue Foto-Serien erweitert. Die Neuzugänge sind vom 17. Juni bis zum 18. September im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zu sehen.

Zwei bekannte Pixelprojekt-Fotografen, Andreas Teichmann und Achim Pohl, haben die Pandemie thematisiert. Sie dokumentieren in ihren Serien neue Normalitäten im “Social Distancing” und die Soziale Arbeit im Lockdown.

In einer weiteren Foto-Reihe erinnert Rainer F. Steußloff an einen “Bergarbeiterprotest in Duisburg” vor 30 Jahren. Und in “Das Ruhrgebiet in den 80er Jahren” berichtet Dirk Krüll vom Leben der Menschen im damaligen Schwebezustand zwischen Schwerindustrie und neuer Dienstleistung.

Statt einer Vernissage gibt es erstmals eine Midissage am 22. Juli.

Zu diesem Termin werden unter www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de auch alle 547 Fotoserien der 326 Fotografinnen und Fotografen mit insgesamt über 10.000 Einzelbildern freigeschaltet.

Das Pixelprojekt wird u.a. vom Regionalverband Ruhr (RVR) unterstützt.

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