So richtig los geht das neue Jahre für viele ja erst morgen. Da ist noch Zeit für etwas Lektüre. Der Streifzug vom 5. Januar 2020.
Mehr als nur ein Jahresrückblick und schon gar keine Best-of-Liste: 2019: A Short Guide To White People & Their Photography Books von Brad Feuerhelm auf American Suburb X. // Wer danach erst mal durchatmen muss: Arbeit an der Pause: Das Museum als Schlafsaal von Wofgang Ullrich. // Zuschlag für Düsseldorf: Mehr zum neuen Bundesinstitut für Fotografie auf Eiskellerberg.tv. // Whom?, “a new journal focusing on community photography projects” und Arts of the Working Class.
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Keinen so schönen Jahreswechsel hatten 1978 21.000 französische Stahlarbeiter und ihr Anhang: Präsident Giscard d’Estaing fand, es wäre Zeit, mit Deutschland zumindest mitzuhalten, worauf sein Premier Barre kurz vor Weihnachten seinen Stahlplan verkündete. Die Liste der Faktoren, die gegen die Reviere im Norden und in Lothringen sprachen, war lang. Ganz so radikal wie in England ging es nicht zur Sache, aber die Trente Glorieuses waren eindeutig vorbei:
In dieser Bruchphase war nicht nur Dolf Toussaint in Lothringen unterwegs, sondern auch Jean-Pierre Mocky, der dort mit Michel Serrault seinen Spielfim Ville à vendre drehte. Aus Jœuf, Homécourt und Hagondange sind diese leicht surrealen Bilder überliefert:
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Heute spielt die Musik in erster Linie an Küstenstandorten. Europas größter liegt am entlegendsten, in Taranto im Südzipfel Italiens:
10 Millionen Tonnen pro Jahr Produktionskapazität, mehr als irgendwo anders in Europa mit einer einzelnen Fabrik, 8.000 Stellen in strukturell ansonsten überschaubarer Gegend, und das bis vor kurzem als Familienbetrieb mit schillerndem Oberhaupt.
Interessant wird die Geschichte dadurch, dass die Rivas es mit der Nichteinhaltung von Umweltvorschriften derart übertrieben haben, dass es zum Äußersten kam: “significant attention from the EU institutions” (PDF), Enteignung, Haftstrafen, Verkauf an einen als seriöser eingeschätzten Betreiber. ArcelorMittal hat in den vergangenen Jahren Berge versetzt und 4 Milliarden Euro in die Hand genommen, um das Werk zu bekommen. Immerhin geht es um nichts weniger als “Europe’s lowest cost asset” (PDF).
Die neueste Wendung, praktisch auf der Zielgeraden: Rücknahme staatlicher Zusagen durch Italiens neue Regierung, von ArcelorMittal quittiert mit Rückgabe des Werks, die Ministerpräsident Conte wiederum belegt hat mit Androhung des “legal battle of the century“. Momentan fährt Mittal die Produktion auf null: die ersten beiden Hochöfen am 12. und 30. Dezember, den letzten übernächste Woche, am 15. Januar. Dann steht das Werk erst mal und es bleibt alles wieder anders.
Text: Haiko Hebig
Zeitungs-Screenshots: Le Monde, New York Times
Postkarte: Sammlung Haiko Hebig
Luftbilder: esri ArcGIS, Microsoft Bing